Achtung. Achtung. Achtung.
Wir sind umgezogen!

Januar 2021

Das Büro für besondere Maßnahmen ist ab sofort erreichbar auf mojour.de

Nach und nach werden alte Beiträge – ggf. aktualisiert und überarbeitet – dorthin umziehen. Bitte folgen ... :-)

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Montag, 7. Juli 2014

BfbM – ein halbes Jahrzehnt

­Heute vor fünf Jahren habe ich dieses Blog eröffnet, nannte es forsch „Büro für besondere Maßnahmen“ und versprach meinem damals noch nicht vorhandenem Publikum jede Menge 'Unfug en gros & en détail'.

Zum Teil habe ich das erfüllt und Euch an allerlei mehr oder weniger besonderen Maßnahmen teilhaben lassen.

Jubiläums-Berg

Was ich damals nicht hatte, war ein ausgearbeitetes Konzept, und das gibt es bis heute nicht. Ich schreibe einfach drauflos, was mir durch den Kopf geht und aus den Fingern in die Tastatur purzelt.

Mal aus dem Alltag, mal Erfundenes, mal eine Rubrik wie die Rosenworte oder die kurzen Maßnahmen. Ich fange etwas an, fange noch etwas anderes an, höre das eine oder andere auf, setze wieder ein – und auf diese Weise ist das Büro für besondere Maßnahmen über die Jahre wie ein aus Texten und Bildern gewebter Teppich zu einem Spiegelbild meiner Seele und meines Lebens geworden.

Mein Leben ist eben auch so: Nicht planbar. Immer wieder Rückschläge, immer wieder aufstehen, neue Versuche und Experimente, mich neu zu erfinden und irgendwie auf dieser Welt einen Platz für mich zu schaffen, an dem ich mich wohlfühle und bleiben möchte.

Ich bin und bleibe mein eigenes Überrschungspaket – ganz so, wie ich es damals im ersten Beitrag angekündig hatte.  Ich hoffe, ihr nehmt mir das nicht übel.

Nun fällt der 5. Geburtstag meines Blogs – nette Koinzidenz! – auf den 10. Geburtstag des Mietvertrags für meine Wohnung.

Als ich vor einem Jahrzehnt in dieses helle, luftige Dachgeschoss mit der grandiosen, fast täglich sich ändernden Aussicht auf den B-Berg (meinen „Büro-Berg“) einzog, stand ein gigantischer Blauglockenbaum direkt vor meinem Balkon, nur dreieinhalb Meter vom Haus entfernt.

Das Gute daran: Der Specht wohnte darin und kam immer zum Klopfen, zusammen mit vielen anderen Vogeltieren und Insekten. Außerdem hat der Baum mit den großen herzförmigen Blättern das halbe Dach beschattet und meiner Wohnung an heißen Sommertagen zu einem angenehmen Klima verholfen.

Das weniger Gute an dem Baum war: Er verstellte mir die Aussicht und machte die Wohnung dunkler. Meinen Südbalkon beschattete er gar so vollkommen, dass dort nicht einmal Nachtschattengewächse gedeihen wollten.

Aber nicht nur sein Schatten war gigantisch, sondern auch seine Wurzeln. Sie hatten im Lauf der Jahrzehnte das Fundament des Wohnhauses gesprengt. Mehr als 20 cm breite Lücken klafften zwischen den Grundmauern.

Deswegen wurde der majestätische Baum vor zweieinhalb Jahren Stück für Stück abgesägt und abgetragen – nicht einfach nur gefällt, denn dabei hätte er Haus und Garten stark beschädigen können.

Seither habe ich mehr Licht im Büro für besondere Maßnahmen. Das ist schön. Endlich gedeihen auch mediterrane Kräuter wie Thymian und Salbei auf dem Balkon. Es freut mich, dass ich hier oben endlich auch Wohlriechendes in meiner Nase habe – denn der Gestank der dieselgetriebenen Weinbergs-Trecker, die täglich laut und ungezählt unter meinem Balkon den Hügel hinauf in die Reben brettern, ist erheblich.

Nie zuvor habe ich in so lauter und bedrohlicher Atmosphäre gewohnt wie hier auf dem angeblich so idyllischen Dorfe. Dagegen war es in meiner Berliner Wohnung, gleich um die Ecke vom belebten Kurfürstendamm, geradezu totenstill.

Sogar Rosen blühen inzwischen auf meinem Schattenbalkon, drei Stück, in Kübeln. Sie duften! So lange ich hier noch ausharre, will ich es wenigstens schön haben vor Augen und in meiner Nase.

Gleichzeitig reduziere ich meine anderen Habseligkeiten, lasse nicht nur eigenes Körpergewicht sondern auch angesammelten Ballast los, mache mich so leicht wie möglich und suche nach einer neuen Wohnung, die nicht nur mir und der Katze ein Zuhause bietet, sondern auch mindestens einer meiner drei dornigen Begleiterinnen.

Denn nicht nur Blog-Geburtstag und Mietvertrag fallen zusammen, auch mein ungeliebter Vermieter hat ein gigantisches Gefühl für Timing:

Auf den Tag genau zehn Jahre nach meinem Einzug hier legte er mir die Wohnungskündigung in den Briefkasten. Er hat sich einen Eigenbedarf aus den Rippen geleiert, um mich endgültig und beschleunigt loszuwerden.

Seine Enkelkinder sollen hier im Haus übernachten, wenn sie aus der Ferne zu Besuch kommen. Meinetwegen, dann brauchen sie wenigstens nicht mehr an seiner Wohnungstür herumhängen, die armen Würmer. In seiner 140-m²-Butze in der Bel-Etage geht das natürlich nicht, zu eng! Deswegen kündigt er mir, obwohl die dritte Wohnung im Haus wegen einer kürzeren Kündigungsfrist viel schneller zu haben wäre und obendrein im Erdgeschoss liegt, mit Terrasse und Gartenzugang - was für Kleinkinder ja gewiss günstiger wäre als ein Feriendomizil unterm Dach …

Ihr erinnert Euch? Der Quetschenquäler hasst mich, weil ich nicht bereit bin, ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit in meine Wohnung zu lassen, wenn er sich nicht vorher angekündigt hat. Er hasst mich noch mehr, weil ich mich von ihm weder anbrüllen noch herumkommandieren lasse. Er hasst mich ohne Unterlass, weil ich es nicht in Ordnung finde, wenn er mir ohne Vorwarnung für Stunden das Telefon abstellt und die Internetleitung kappt, weil er 'mal eben kurz' was reparieren muss. Er brüllt mich an und knallt mit den Türen, hat mich im Keller schon mit dem Messer in der Hand bedroht, ein ander Mal auf der Treppe angerempelt und fast zu Fall gebracht.

Sein „Eigenbedarf“ ist natürlich vorgeschoben, um mich loszuwerden. Mit anwaltlicher Unterstützung kann und werde ich dagegen vorgehen – falls ich wirklich keine andere Wohnung finde und mehr Zeit brauche … Denn die Atmosphäre hier macht mich schon lange krank, ich muss und will hier sowieso raus, samt Katze und Kräutern und Duftrose – und irgendwie kriege ich das schon hin. Trotz allem. Trotz posttraumatischer Belastungs- und "halbautistischer" Reizfilterstörung, trotz Depressionen, trotz Erwerbslosigkeit und kontinuierlicher Unterkapitalisierung.

Mein Leben hier im Haus der katholischen Spießer ist schon viel zu lange viel zu sehr vergiftet und viel zu belastend für mich. Seit Jahren werde ich gemobbt, nicht gegrüßt, böse angesehen, ignoriert, beschimpft, beleidigt, respektlos behandelt. Diese Vermieter sind Krafträuber erster Güte.

Ich suche schon lange eine andere Wohnung (muss ja auch, von Amts wegen) und setze seit Jahren alle mir möglichen und verfügbaren Hebel in Bewegung, auch wenn die mir unendlich klein und unzureichend erscheinen, wenn Angst und Alpträume mich nicht schlafen lassen, in Hass und blutiger Selbstverletzung enden. Es wird, es muss mir gelingen, für mich endlich einen Platz zu finden, an dem ich in Frieden leben kann.

Der Umzug selbst wird eine gigantische "Besondere Maßnahme" werden. Irgendwie werde ich es überleben. Wie alles andere auch.

Das bin ich mir und diesem Blog schuldig. Bis es so weit ist, bitte ich um Verständnis, wenn ich hier weiterhin etwas „auf Sparflamme“ köchle. Ich habe so viel zu sagen und zu erzählen, aber es ist meist so belastend für mich, dass mir die Kraft zum Aufschreiben fehlt.

Vorerst freut Euch bitte weiterhin über mehr oder weniger kurze Rosenworte und den harmlosen Katzen-Kontent "nebenan" bei Ginivra.

Auf die nächsten fünf Jahre!

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Mittwoch, 12. Februar 2014

Mauerbau 2013

- eine Vermietergeschichte mit Bildern -

Dass mein spießiger Vermieter alles Lebendige zu hassen scheint und sein Umfeld gerne pflegeleicht deutschgrau gestaltet, weiß ich ja nicht erst, seitdem er vor einigen Jahren die Blumenerde im Vorgarten durch spitzen grauen Betonschotter ersetzt hat und diese Beleidigung der Natur für „toskanischen Stil“ hält.

Im vergangenen Herbst dann hat er den Vogel zwar nicht gleich abgeschossen, aber doch der hiesigen Vogelwelt jegliche Lebensgrundlage entzogen, indem er seine zwei bis drei Meter hohe Gartenhecke eines Tages zackzack! mit großem Getöse abholzen ließ.

Alles grüne Lebendige muss weg!

Es folgten – mit nicht minder Getöse, per LKW und Bagger – Erdaushub-, -umschichtungs- und diverse -anlieferungsarbeiten. Geliefert wurden Baugerät, palettenweise schwere Hohlsteine, Zement in Bergen, kistenweise Bier und was der Bauarbeiter an sich sonst noch so braucht.

Vom Balkon aus hatte ich alles bestens im Blick, konnte jedoch nur raten, was das werden wollte. Wie üblich hatte mein katholischer Vermieter auch diesmal keinen Wert darauf gelegt, mich vorab ein bißchen zu informieren, dass er mal wieder großen Lärm und Dreck auf unbestimmte Zeit im Schilde führt. Wieder einmal hatte ich keinerlei Chance, mich darauf einzustellen und eventuell ein Ausweichquartier zu organisieren.


Dann kamen die Bauarbeiter. Häßliche Männer, ebenfalls mit großem Getöse und Betonmischmaschine, Steinsäge, Gebrüll und Schubkarre, Hammer und Meißel, über Wochen und Monate.

Sie bauten eine Mauer! Und zwar nicht irgendeine: Ein monströses Bauwerk von chinesischen Ausmaßen für die Ewigkeit, das alle Nachbarn vor Neid erblassen lässt, ist das Mindeste! Nichts Geringeres hält dieser gnadenlose Heckenstutzer und taktlose Quetschenquäler mit Rosamunde-Gesinnung, unser Thomas Gottschalk vom Dorfe, für seiner würdig.


Egal ob Sonne, Nebel, Regen: Die Mauer wuchs. Sie wuchs langsam, denn es ist nicht irgendeine Mauer: Nicht einfach ein paar zich Meter Stein auf Stein geradeaus, nein! Sondern mit eingemauerter Kurve!

Das ist hohe Maurerkunst! Und zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass jeder einzelne Stein mehrfach geteilt und zu „Tortenstückchen“ geschnitten werden muss, damit die Wand die Kurve kriegt. Höllenlärm. Wochenlang!

Damit die hohlen Steine nicht wieder auseinanderpurzeln, wurden sie von oben mit Zement gefüllt. Stückchen für Stückchen. Dann noch eine Borte obenauf, ebenfalls in lärmintensivem Feinschnitt gepuzzelt. Das sorgfältige Verputzen und Weißeln waren die eher ruhigen Arbeiten.


Die Maurer verschwanden, die Landschaftsgestalter rückten an: Brachten neue Erde, neues Grün. Zarte Hoffnung keimte auf.

Aber zu früh gefreut: Nur pflegeleichtes, steriles Immergrün - schräge toskanische (!) Säulenzypressen und inspirationsfreier Kirschlorbeer wurden gesetzt. Die Erde wurde platt gestampft, mit unkrautverhinderndem Vlies bedeckt und unter einer dicken Schicht von spitzem deutschgrauen Gleisbettgranit(?)schotter versteckt. Dass das man bloß nicht zu lebendig wird alles!


Bei Nässe wird der spitze Schotter schwarz. Ein Trauerrand für den auf englischen Golfrasen getrimmten Rest vom Garten. Und hohe Verletzungsgefahr für die Enkelkinder, die inzwischen beide laufen können und regelmäßig zu Besuch sind. Sie werden hart fallen, wenn sie mal über die steinerne Rasenkante stolpern.

Als krönender Abschluss wurde noch ein wie ein Grabstein wirkendes "Kunstwerk" installiert. Auf einem eigens gepflasterten Podest.

Dort, wo früher eine grüne, blühende, duftende, zwitschernde, summende Hecke war, die im Wind leise raschelte, in der sich Schmetterlinge tummelten, die Lebensraum und Versteck war für Vögel, Insekten, Mäuse, Igel, Fledermäuse, Katzen und Blattläuse … geht mein Blick also nun auf eine kalte Friedhofsmauer.

Überall im Dorf zwitschern schon die Vögel. Nur bei uns im „Garten“ ist – was Geräusche aus der Natur angeht – totenstille Friedhofsruhe! Statt dessen höre ich die geistig scheintoten Vermieter umso lauter bellen (er) und keifen (sie), denn der gebogene Beton ist ein prima Schalltrichter.

Wie in einem Amphitheater höre ich hier oben alle Geräusche aus der "Bell"-Etage ein paar Dezibel lauter, jeden Furz in allen Nuancen umso deutlicher. All dieses Dummbatzgelaber, das ich nicht nur hören, sondern nun leider auch noch mehr verstehen muss als vorher. Wenn ich doch nicht so gute Ohren hätte! Ich wünschte, ich könnte sie schließen wie meine Augen zum Schutz vor der schmerzhaft reflektierenden Weißwand.

Die Außenseite, zur Straße hin und in den Rebberg hinein, ist genau so antiseptisch zahnpastastrahlendweiß wie die Innenseite. Ich frage mich täglich, wie lange wohl noch. In Berlin gäbe es das nicht, dass eine so jungfräuliche Mauer über Monate hinweg so unberührt bleibt. Die reinste Herausforderung für jeden Wandkünstler!

Für mich, die ich über viele Jahre in Berlin die Mauer direkt vor der Nase hatte, ist das unverständlich, warum ein Mensch sich selbst so einmauert. 50 Jahre nach dem innerdeutschen Mauerbau von 1963 und fast ein Vierteljahrhundert nach ihrem gefeierten Fall 1989 habe ich weder für Mauern noch für Zement noch für Beton auch nur ein Fitzelchen Sympathie übrig.

Wie heißt es in China? Ich schrieb es bereits:

„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“

Es wird Zeit, dass ich mich vom Südwestwind davontragen lasse. Wenn ich doch nur leicht genug wäre, würde es mich – samt Katze - bis weit hinauf in den Nordosten wehen, an die Ostostsee. Die ich so liebe! Ach. Das wäre schön!

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Donnerstag, 15. August 2013

vermieter – the next generation

für die, die's noch nicht wissen: ich wohne zur miete. im dachgeschoss.

die katholischen vermieter leben in der bel-etage, ein stockwerk tiefer. täglich mehrmals muss ich an deren wohnungstüre vorbei.

die vermieter haben erwachsene kinder: eine tochter und einen sohn, die mit ihren jeweiligen partnerInnen ziemlich weit weg leben.

die vermieterkinder haben sich fortgepflanzt. es gibt nun zwei vermieterenkelsöhne, ungefähr ein und zwei jahre alt. seitdem das so ist, hängen konterfeis der frisch geschlüpften erdlinge an der vermieterlichen wohnungstüre. außen!

"den Nachwuchs vor die Tür hängen"


die armen rot schrumpeligen würmer wurden durch den heimischen drucker mehr schlecht als recht im DIN-format A4 auf billigem papier in die welt gezwängt, schräg und schäps mit tesafilm an die tür geklebt.

seit zwei jahren also frage ich mich mehrmals täglich: warum machen die das? was ist das für ein brauch? warum hängen die katholiken (wahlweise vermieter / winzerdörfler / alemannen / baden / spießerdeutschen …) ihre säuglinge nach draußen vor die wohnungstüre ins ungeheizte treppenhaus – anstatt sie innendrin gut warmzuhalten, vor bösen geistern zu verstecken und zu beschützen?!

beide säuglinge tragen die namen von römischen kaisern – wie sich das gehört für die enkel von herrschaftlichen großgrundbesitzern mit einem stammbaum über mehrere jahrhunderte bis zurück zu den historisch belegten ersten siedlern des dorfes. selle kamen aus der schweiz, okkupierten das tal und teilten das land unter sich auf. an der sprache merkt man das bis heute, die ist in diesem ort ganz anders als im nachbardorf. sie haben nie richtig deutsch gelernt.

manchmal kommen die kinder mit den enkelkindern zu besuch und führen dem patriarchen und seiner eheputzkochhaushaltsfrau vor, wie gut sie ihre bälger schon dressiert haben.

ich sitz dann hier oben auf meiner balkon-empore und griemel mir eins. leider verstehe ich jedes wort, das unten im „wintergarten“ genannten glashaus und im rentnergarten gesprochen wird.

aber es ist doch interessant mitanzuhören, wie der alte herr dann in senil-frühkindliches duziduzi brabbel-speak verfällt und versucht, seinen künftigen steuerzahlernachkommen seine ihm lebenswichtigsten wörter beizubringen. vor allem die auswahl der vokabeln, die er unbedingt weitergeben muss, ist bemerkenswert. da lerne ich wirklich neues über meinen vermieter, der sonst eher türenschlagend, arrogant und in beleidigendem kommandoton daherkommt.

sehr lange wurde mit dem einjährigen geübt an dem schönen wort: flugzeugträger. genau. flug-zeug-trä-ger. oder habt ihr etwa ein anderes wort als erstes gelernt? das muss ein mann doch können! flug-zeug-trä-ger! seltsamerweise schien das kind weder sonderlich interessiert noch begeistert und gab keinerlei echo. nach gefühlten 108 wiederholungen gab der großvater auf.

es folgte die musikalische früherziehung. meine geneigten leserInnen wissen, dass mein herr vermieter sich für einen begnadeten musiker hält und täglich seine quetschekommode malträtiert. seit mehr als fünfzig jahren. er kann es immer noch nicht und ist in seiner rosamunde-gesinnung niemals über einen dumpfen viervierteltakt hinausgekommen.

also auch die enkel! instruiert wird auf dem piano im wohnzimmer. auf dem spielt sonst nie jemand. nur wenn die kinder zu besuch sind. dann intoniert der opa ein stolperndes „alle meine entchen“, und die kinder werden aufgefordert, das nachzuspielen. das können sie natürlich nicht. sie haben ja noch nie zuvor ein klavier gesehen und müssen erst einmal ausprobieren, was überhaupt passiert, wenn sie mit ihren patschehändchen darauf herumtatschen. dürfen sie von mir aus gerne. ich hätte auch gerne ein klavier gehabt, früher. aber es war mir nicht erlaubt, etwas zu besitzen, das lärm hätte verursachen können.

anders des vermieters enkelsöhne: sie dürfen ungefähr ziemlich genau dreimal auf die tasten hauen. jeder einzelne schräge ton wird begeistert kommentiert mit großem jubel und stolzem überschwang „ja wunderbar! ja du bist ja ein ganz großer! ein richtiger mozart! ja wo isser denn mein kleiner amadeus ….“

so verlängert das kleine vermieter-ego seinen narzissmus in die übernächste generation.

wenn aber nach dreimal tastenpatsch das nicht nur musikalisch in den kleinstkinderschuhen steckende nachwuchsmusiktalent immer noch keine symphonie (oder zumindest eine sonate) zustande gebracht hat, wird die musikalische früherziehung flugs beendet und der klimperkasten geschlossen.

sie dürfen nicht üben, die armen kleinen. sie müssen schon alles können. sonst ist der großvater nicht zufrieden.

den zweijährigen fand ich übrigens gar nicht so schlecht. er spielte sehr behutsam, nicht so haudrauf. es klang ein bißchen wie satie. sehr entfernt, versteht sich. aber das gefiel dem alten nicht.

für feine, leise töne hat der vermieter keinen sinn. nur für schenkelklopfende polka. und für flugzeugträger.


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Sonntag, 7. April 2013

alpträume delegieren

besondere maßnahme no. XXVIII

nacht für nacht bin ich unterwegs, komme nicht an. bin zu spät, zu früh, werde verfolgt, bin auf der flucht, kriege den koffer nicht gepackt oder den container für den umzug; verpasse den flieger, den zug, den bus.

Steinmännchen am Bodensee - Konstanz

nacht für nacht werde ich im auto verfolgt, von geheimdiensten beschossen, mit messern bedroht; habe ich kein zuhause oder komme in eine verwüstete, zerstörte oder nicht mehr vorhandene, von anderen bewohnte wohnung zurück.

nacht für nacht finde ich mich an plötzlich unerlaubten orten wieder, werde ich bedroht und beschossen, stehe ich verletzt, blutend und nackt in empörter öffentlichkeit; schäme ich mich ratlos vor feindseligen kündigungs- und gnadenlosen familientribunalen.

nacht für nacht rückt das ziel in immer unerreichbarere ferne; stecke ich ausweglos bis zum hals in giftigem, brodelnd ätzenden schlamm, der mich zu ersticken droht; ist da, wo immer ein weg war, plötzlich ein tödlicher abgrund.

nacht für nacht werde ich bedroht, gefoltert, vergewaltigt; wird die katze vergiftet und mir häppchenweise serviert.

nacht für nacht bin ich müde, erschöpft und verzweifelt, will ich doch nur nach hause und ein bißchen ruhe - so wie andere menschen auch. aber ich finde den weg nicht, und ein zu hause gibt es gleich gar nicht.

gegen das, was ich nacht für nacht durchmache, sind die horrorgeschichten von Stephen King der reinste kindergartenkram.

ich bin immer allein. immer in angst. unfähig, die dinge zu erledigen, die ein 'normaler' mensch gefälligst mal eben schnell ohne großes aufsehen zu erledigen hat. niemals bin ich gut genug und offensichtlich immer schuld an etwas ganz schrecklich schlimmen, das den anderen erlaubt, mein leben für unlebenswert zu erklären, mich zu verachten, zu verfolgen, zu vertreiben, zu verletzen, auszuschließen.

der letzte schöne traum, den ich erinnere, liegt mehr als dreißig jahre zurück. selbst der begann mit einer katastrophe: ich war unterwegs im nachtzug von italien nach freiburg. die alpen machen mir angst, bedrängen und bedrücken mich. da kriege ich keine luft. deswegen nehme ich durch die schweiz immer den nachtzug, da muss ich die hohen berge nicht sehen. aber mein zug ist entgleist, mitten in der nacht, mitten in den alpen.

damals war ich in der phase zwischen abitur und studium. ich war 19, habe gejobbt, bin viel gereist, wollte welt sehen - und nicht nahtlos von einer schule auf die andere stolpern. nach diesem jahr war klar: ich werde in freiburg studieren. und dahin sollte der zug im traum mich bringen. über nacht.

der zug kam nie an. er entgleiste, kippte um, es ging nicht weiter. ich war aus meiner schlafkoje durchs offene fenster herausgerutscht, lag unter dem zug. mitten in den alpen. rechts und links bedrohliche steile bergwände. ich krabbelte unter dem zug hervor, rappelte mich auf und kletterte die wand hoch, stieg auf den berg. im dunkeln. stück für stück.

als ich oben ankam, brach die morgendämmerung an, eine freundlich warme sonne schickte ihre ersten strahlen über das rheintal. die aussicht war gigantisch. in der ferne sah ich mein geliebtes freiburg. da breitete ich die arme aus und flog.

auch in diesem traum kam ich nicht an. das gefühl des fliegens war so überwältigend schön, dass ich wach wurde. aber genau deswegen habe ich diesen traum als „schön“ in erinnerung. seit mehr als drei jahrzehnten. ich bin dann auch im echten leben nach freiburg gezogen.

seither gab es niemals wieder einen traum, aus dem ich fröhlich und zuversichtlich erwachte.

neuerdings reichen meine eigenen nächte nicht mehr aus für die vielen alpträume. sie unterwandern meinen freundeskreis:

eine bekannte erzählte mir vor kurzem, sie habe von mir geträumt. naja, nicht direkt. in ihrem traum ging es um mich, aber ich war nicht da. ich war mal wieder verreist. und sie wollte in meiner wohnung nach dem rechten sehen.

sie kam herein, die tür stand sperrangelweit offen, mein katholischer vermieter und andere ekelhafte männer latschten in meiner wohnung herum, fassten alles an, schoben unsanft möbel hin und her, warfen meine persönlichsten und privatesten dinge durcheinander und lästerten abfällig über die „renitente alte“ aus dem dachgeschoss. der balkon war von außen mit brettern vernagelt - meine sonst so helle und freundliche wohnung war dunkel und stank nach diesen widerlichen kerlen. der treppenabsatz vor der wohnungstür war abgerissen - man stürzte direkt ins treppenhaus hinunter.

meine bekannte war starr vor entsetzen, blieb aber tapfer, wollte die einbrecher vertreiben. die aber hatten keinerlei unrechtsbewusstsein, meine privatsphäre zu penetrieren. sie erntete spott und hohn und gelächter. der traum war sehr realistisch, denn so sind sie auch in echt, mein respektloser vermieter und seine primitiven dorfkumpels.

sie weinte, als sie mir das erzählte. hatte angst um mich gehabt. ich war bestürzt. und heimlich froh, dass sie mir einen alptraum abgenommen hatte, den ich selbst nicht passender hätte träumen können.

vielleicht wäre das eine möglichkeit, meine eigenen nachtwanderungen etwas entspannter zu gestalten? ich könnte meine alpträume delegieren.

ich würde allerdings nur ungerne weiterhin meine freundInnen damit belasten.

weiß nicht jemand, wie man alpträume channelt an - sagen wir mal - so jemanden wie meine ollen vermieter? oder besser: an menschen, die ihrer ewigen schönen träume längst überdrüssig sind und auch mal echten horror erleben wollen in der nacht? wäre das nicht eine ganz besondere maßnahme? eine erfolg versprechende geschäftsidee?

meine nightmare-productions sind von ausgesuchter gruselqualität. das könnte sich durchaus lohnen.
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Freitag, 16. März 2012

der handwerker

schon wieder eine vermietergeschichte!

es war ja ohnehin schon schlechte luft in der vermieterlichen bel-etage, weil ich es vergangene woche gewagt hatte, darauf hinzuweisen, dass ich es nicht in ordnung fand, mir termine aufzudrücken, die gar nicht für mich bestimmt sind.

immer im blick: die gebeine der vermieter

dann ging mir in der vergangenen woche auch noch ein rollladen kaputt, einfach so, ohne vorwarnung, lässt er sich nicht mehr hochziehen. an einer balkontüre. sehr wichtig, dass der nicht dem licht und auch nicht mir den weg versperrt. jetzt im frühling sowieso.

ich kenne ja meine vermietermischpoke inzwischen und dachte mir schon, dass das wieder schwierig wird. grundsätzlich, wenn in diesem vierzig jahre alten haus etwas nicht funktioniert (auch außerhalb meiner wohnung), werde seit meinem einzug vor rund acht jahren sofort ich unterm dach dafür verantwortlich gemacht.

dennoch habe ich es gewagt, ihnen erst einmal – ganz vorsichtig – einen zettel hinzulegen mit einer kurzen schilderung des problems. ganz mutig habe ich bei der gelegenheit noch eine zweite angelegenheit erwähnt, die einer reparatur bedarf.
„hallo frau und herr vermieter,
es ist etwas kaputt gegangen in meiner wohnung:
- ein rolladen an der balkontüre südwest lässt sich nicht mehr ganz hochziehen.
- die badezimmertüre stößt beim öffnen immer auf den boden. da hat sich scheinbar etwas gelockert."

dann noch die info, dass ich unter der woche meist ab 15 uhr zu hause sei, falls man sich das einmal ansehen wolle. leider hatte ich vergessen, hinzuzufügen, dass man für das betreten meiner wohnung bitte einen termin mit mir absprechen möge – dafür war die zeitangabe gedacht.

ich hätte es mir denken können! der herr vermieter stand am dienstag mal wieder unangemeldet vor der tür und begehrte sofortigen einlass. respektlos und arrogant und selbstherrlich wie eh und je. ich habe tief luft geholt, deeskalation betrieben und habe ihn – obwohl ich fast gekotzt hätte vor ekel, diesem widerling unvorbereitet und alleine ausgesetzt zu sein – hereingelassen.

sofort legte er wieder los mit abwertenden bemerkungen. er könne gar nicht verstehen, dass der rollladen nicht hochzuziehen sei, den würde ich ja wohl kaum benutzen (tue ich nur täglich einmal am frühen morgen, wie man es mit rollläden halt so macht). um selbst festzustellen, dass der rollladen nicht mehr hochzuziehen geht, musste der vermieter ihn natürlich erst einmal noch weiter herunterlassen. was vorher nur ein halber schaden war, ist jetzt ein ganzer.

tja, da könne er leider nichts machen.

bei der badezimmertüre stellte er fest, dass eine schraube an der türangelbefestigung locker ist (meine rede). die sei ja ganz ausgeleiert die schraube, die hätte ich ja wohl mit einem schraubenzieher zerstört. für die türangelschraube braucht man einen imbusschlüssel. damit lässt sie sich bestens drehen. sie ist kein bißchen 'zerstört', und ich war auch nie mit einem schraubendreher dran. sehe ich doch, dass das ein imbus ist.

der herr vermieter stellte fest: die schraube lässt sich nicht mehr festdrehen (das war mir bekannt, sonst hätte ich ihn ja nicht bemüht).

tja, da könne er leider nichts machen. da müsse ein handwerker her. er kenne da einen, der würde sich das vielleicht einmal ansehen. der sei aber gerade erst an der hüfte operiert worden und er wisse nicht, wann der zeit hat. ob ich am donnerstag oder am freitag oder am samstag da sei?

ich bejahte grundsätzlich und schlug vor, dass der handwerker sich doch am besten kurz telefonisch bei mir melden und einen termin vereinbaren möge.

termin? vereinbaren? herr vermieter kriegte mal wieder schnappatmung: das ginge nicht, das wisse doch er nicht, wann der handwerker zeit habe und außerdem hätte er meine telefonnummer gar nicht. natürlich hat er meine telefonnummer. die hat sich seit acht jahren nicht geändert. ich blieb freundlich und gab ihm zum gefühlten dreihundertzwölften mal meine visitenkarte.

er grummelte die treppe hinunter. türen schlagen.

am nächsten morgen begegnete ich ihm vor der garage. ich grüßte freundlich und korrekt. wie immer. das war ihm vielleicht ein dorn im auge. außerdem hatte er wohl meine telefonnummer noch nicht so ganz verdaut. jedenfalls wurde er wieder cholerisch und brüllte nur noch rum:

was ich mir denn einbilden würde, immer müsse man mit mir einen termin vereinbaren. bei allen anderen mietern zuvor sei das immer selbstverständlich gewesen, dass er jederzeit in die wohnung gekonnt hätte und wenn das mit mir nicht ginge, dann solle ich gefälligst ausziehen. er hätte noch nie die miete erhöht (stimmt – ich habe sie aber auch noch nie gekürzt trotz vielerlei gründen) und am winterdienst hätte ich mich auch noch nie beteiligt (stimmt nicht - wenn er einen plan macht, halte ich mich dran; aber es ist nicht meine aufgabe, einen plan zu machen).

ich sagte, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun habe, und wenn er wolle dass ich ausziehe, könne er mir ja eine abfindung zahlen für maklergebühren, umzugskosten etc. - dann würde ich gehen.

ich zahle die miete regelmäßig und pünktlich. immer. er hat nichts gegen mich in der hand. dass ich ja ausziehen könne, wenn mir irgend etwas nicht passe, das sagt er seit jahren. aber diesmal wurde er wirklich bedrohlich: ich wisse ja, dass er einen rechtsanwalt kenne und was das für einer sei, da könne man sicher etwas drehen, um mich loszuwerden.

einen termin mit dem handwerker hat er nicht vereinbart, und auch der handwerker selbst hat sich bei mir nicht gemeldet.

vorhin klingelt es. plötzlich. ich war beim gärtnern auf dem balkon, die hände bis zum ellenbogen in blumenerde. ich erwartete niemand, hätte auch in der badewanne liegen können. trotzdem gehe ich an die türe: aufgemacht, niemand da. gegensprechanlage betätigt: hörbare geräusche, aber niemand antwortet. also bin ich wieder zurück zu meinen orchideen.

als ich später wieder hereinkomme, blinkt die anrufbefürworterin. sie hat eine sehr bemüht höfliche und sehr bemüht hochdeutsche nachricht für mich:
„hallo mo jour, hier isch de vermieter. jetz isch grad de handwerker do, aber …. mir komme net rein. des fahrrad isch do, des audo do. der hat's vorher net g'wusst, dass er jetz' komme kann. das geht mit de handwerker nit immer so, dass mer sich vorher anmeldet. jetzt geht er wieder un' mer müsse warte, bis er widder zeit hat. oder du nimmsch des alles selber in de hand un' tuusch (= tust) des reguliere. du kannsch ja mit mir maaal rede. tschau.“

damit meint der vermieter folgendes: entweder ich dulde unangemeldete überraschungsbesuche von ihm nebst handwerker, oder ich zahle die reparaturen selbst. von handwerkerkumpel seines vertrauens gibt er mir weder namen noch telefonnummer.

zähneknirschen.
ausatmen.
loslassen.
es ist wochenende. es ist frühling.

auf die nächste fortsetzung bin ich schon selbst gespannt.



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Donnerstag, 15. März 2012

der schornsteinfeger

es ist an der zeit, dass ich mich wieder einmal einem der wirklich wichtigen themen dieses weblogs widme, wie es auch im untertitel steht: dem vermieter.

tibetorchidee - pleione formosana

der meine lebt im selben haus und hat so seine eigenheiten, wie einige von euch ja bereits wissen. meistens sind diese für mich schon so dermaßen alltäglich, dass sie mir trotz aller ungeheuerlichkeit schon kaum noch auffallen.

zur erinnerung: wir leben auf dem aleMANNischen lande. der mann ist katholisch. der katholische mann hält sich für das herrgöttle himself, denn der herrgott hat ihn schließlich nach seinem ebenbild geschaffen. so steht es in der bibel. und was in der bibel steht, das stümmt.

neulich, als ich nachmittags von der arbeit kam, hing am treppengeländer zu meiner wohnung ein zettel vom schornsteinfeger: „komme morgen zwischen 8uhr und 9uhr30.“ normalerweise bin ich um diese zeit beschäftigt mit riesenmilchkaffee, zähneputzen, katzefüttern, antifaltencreme, frühstücksbrot belegen und dem weg in den verlag. arbeitsbeginn ist allerspätestens halb zehn. ich bin noch in der probezeit. es ist wichtig, pünktlich zu sein.

der schornsteinfegertermin war sehr kurzfristig (nicht mal 15 stunden) und zu einer für mich ungünstigen uhrzeit. ich mag es nicht, wenn mein tagesablauf durcheinander gebracht wird. erst recht nicht schon am frühen morgen. ich brauche die zeit für mich, um die alpträume der nacht zu sortieren und mich auf die herausforderungen des vor mir liegenden tages einzustellen.

ich mag es auch nicht, wenn fremde männer vor der wohnungstür stehen, einlass begehren und durch meine privateste privatsphäre latschen. als sei es das selbstverständlichste von der ganzen welt, bei einer fremden frau einzudringen und das auch noch vor deren wachwerden. trotzdem: der schornsteinfeger muss seine arbeit machen. außerdem bringt er ja auch angeblich ein bißchen glück mit. immer herein damit.

also bin ich extra früher aufgestanden, habe den schon seit jahren nicht mehr benutzten kaminofen freigeräumt und geputzt, die wohnung mehr aufgeräumt als sonst. wohnung, ofen, katze und ich waren ausnahmsweise schon in der früh um punkt acht uhr präsentabel und gesellschaftsfähig und nur ein ganz kleines bißchen schlecht gelaunt.

so saßen wir hier in bester erwartung und in der großen hoffnung, der herr schornsteinfeger möge bitte möglichst bald kommen, so dass ich noch rechtzeitig am arbeitsplatz sein konnte. des herrgotts turmuhr schlug die stunden: viertel, halb, dreiviertel, punkt neun, der schornsteinfeger kam nicht. viertel nach neun rief ich mein verlagsteam an, dass ich unmöglich pünktlich sein könne – der handwerker habe mich versetzt.

ich hasse es, warten gelassen zu werden. ich werde wütend, wenn andere meine zeit verschwenden. ich konnte es nicht ändern und wartete bis 9uhr40. immer noch kein schornsteinfeger. als ich endlich auf dem weg in die redaktion die treppe runterfegte, war der schornsteinfeger-ankündigungszettel weg, lag vor der wohnung der vermieter. die hatten ihn also abgemacht. war der böse schwarze mann doch dagewesen? hatte er mich vergessen? war er unverrichteter dinge wieder gegangen, ohne mir bescheid zu sagen?

ich klingelte, wollte beim vermieter nachfragen. keiner macht auf. keiner da. ich war sauer. der ganze aufwand vergeblich, und dann auch noch zu spät im für mich so wichtigen job. den zettel nahm ich mit.

am abend rief ich den schornsteinfeger an. fragte nach. da erzählt der mir, dass der zettel gar nicht für mich bestimmt war. sondern nur für den hausbesitzer. mein ofen sei ja schon seit jahren stillgelegt, den müsse er nicht mehr kontrollieren. der kollege sei schon kurz nach acht bei uns im haus gewesen. er war jedoch nicht angewiesen gewesen, sich bei mir zu melden. schließlich gab es in meiner wohnung für ihn nichts zu tun. nur beim hausbesitzer. ich hätte also gar nicht zu hause sein müssen. der schornsteinfeger entschuldigte sich vielmals. dieses missverständnis war ihm sehr unangenehm.

da hatte also mein schikanöser herrgottsvermieter den für ihn bestimmten terminzettel einfach mir hingehängt, ohne drüber nachzudenken. er hatte es auch nicht nötig, mich kurz zu informieren, als klar wurde, dass sich der termin für mich erübrigt hatte. statt dessen hängte er den zettel einfach wortlos wieder ab. ich war gar nicht betroffen und hätte wie sonst auch um halb neun das haus verlassen und rechtzeitig arbeiten können.

tags drauf sprach ich ihn darauf an, dass ich das nicht in ordnung fand und dass er zumindest hätte bescheid sagen können – wenn er es schon nicht schafft, sich zu vergewissern, ob seine termine auch für mich gelten und sie mir einfach weiterreicht.

da war der mann so sehr beleidigt, man stelle sich das mal vor. der ärmste ist ein arroganter choleriker, schon von geburt an. der kann nix dafür, dass er so ist. er kommandiert halt gerne andere umeinander und ist niemals verantwortlich für seine fehler. schuld sind immer die anderen. vorzugsweise seine böse mieterin.

er kriegte also schnappatmung und blaffte mich an, mit mir könne man ja sowieso nicht reden und schließlich hätte ich ihn ja anrufen müssen. er hätte das doch nicht gewusst, dass der schorsteinfeger nicht zu mir wollte. er wusste es nicht. aber obwohl es sein job gewesen wäre, das herauszufinden, hat er mir den zettel trotzdem einfach so hingehängt.

das sollte ich mir mal umgekehrt erlauben: dem vermieter termine aufdrücken, die gar nicht für ihn bestimmt sind. dass er derjenige war, der den zettel nicht nur unnötig bei mir aufgehängt, sondern ihn auch noch stumm wieder abgehängt hatte – ohne wenigstens kurz mit mir zu reden, dass es sich erledigt hatte .... vermietergötter dürfen das.

früher hätte ich darauf erst mal einen cognac getrunken, um mich von der palme wieder runterzuholen.
das geht schon lange nicht mehr. solcherlei situationen sind für mich eine große belastung. ich muss es irgendwie aushalten und knirsche mit den zähnen.

ausatmen.
loslassen.
fortsetzung folgt.


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Mittwoch, 18. Mai 2011

der rentnergarten

ein rentnergarten ist – wie das wort schon sagt – das gegenteil vom kindergarten. wo kinder wachsen, lebendig laut und bunt sind und sich täglich entwickeln, sind ältere leute eher ruhig in sich zurückgezogen, bewegen sich nicht mehr so viel und bevorzugen gedeckte farben.

Buchs im Rentnergarten

wenn kinder in ihren garten gehen, dann wollen sie herumtollen und barfuß über taufrisches gras hüpfen. sie wollen wilde bienen sehen und torkelnde schmetterlinge an kunterbunten blumen.

den älteren leuten ist so viel aufruhr zu viel. das macht arbeit. deswegen gibt es im rentnergarten keine wiesen mehr und keine bunten blumen. und erst recht kein unkraut!

pflegeleicht soll es sein, das seniorenbeet, das ganze jahr über adrett anzusehen ohne dramatische veränderungen.

seit ein paar jahren schon beobachte ich diese entwicklung. immer mehr gärten und vorgärten werden zu steinwüsten, sparsam bepflanzt mit immergrünem buchs, mit zypressen und falschen lebensbäumen. alles pflanzen, die diese bezeichnung kaum verdienen, weil sie sich nur unmerklich verändern.

thuja, buxbaum, efeu - gehören meiner meinung nach höchstens auf den friedhof (bloß bitte auf keinen fall auf mein grab, falls ich da mal lande). mögen vielleicht ältere menschen diese gewächse genau deswegen? wegen des grufti-looks? weil sie öfter auf den friedhof gehen als junge leute? weil mit den jahren immer mehr verwandte, freunde und bekannte schon für immer dorthin gezogen sind?

mag ja sein. dass manche menschen sich aber schon zu lebzeiten die friedhofsoptik in den eigenen vorgarten holen, wird mir immer fremd bleiben. brauchen sie es wirklich so nahe vor augen, dass ihre tage gezählt sind, dass der countdown schon läuft?

natürlich würden sie sich das niemals eingestehen. das neue gartendesign hat allein praktische gründe, sagt der rentnergärtner dann trotzig mit vorgeschobener unterlippe. außerdem heißt das im gartenfachmann-fachjargon natürlich nicht rentnergarten, sondern marketing-speak neumodisch "steingarten im toskana-stil".

schon klar. spitzkantiger grauer schotter, buxbaumkugeln und säulenzypressen waren schon immer die erkennungszeichen der toskanafraktion, wussten Sie das nicht?!

"Toskana" im Markgräflerland

ich hatte da zwar andere toskanatypische klischees im kopf - wie brunello di montalcino, den pittoresken ponte vecchio oder uralte knorrige olivenbäume - aber man lernt ja nie aus. auch eine freie radikale kann und will nicht alles wissen.

toscana feeling durch mediterranes design, das klingt weltmännisch, weitgereist und wohlhabend. das ist dolce far niente und macht was her! aber nicht nur den nachbarn beeindrucken und neidisch machen soll der rentnergarten, er soll auch pflegeleicht sein. so steht es in den hochglanzprospekten der rentnergartenprofis.

pflegeleicht ist eines meiner alltime-bestgehassten wörter. das kommt in einer reihe mit bügelfrei, praktisch und zeitsparend. gleichbedeutend mit stil- und lieblos, unachtsam und scheintot.

das allertoskanatypischste am rentnergarten ist wohl die tatsache, dass dort noch nicht einmal mehr unkraut wächst. schluss mit dem wildwuchs, sturm und drang ist kindergartenkram! ein dickes vlies liegt als grasverhüterli zwischen erdreich und schotterschicht. da wächst garantiert nichts durch. die faden stoffbahnen werden sorgsam mit steinen bedeckt, bis sie unsichtbar sind. soll keiner sagen können, dass das unordentlich aussieht!

irgendwie kann ich das ja noch nachvollziehen, diese unkrautphobie. unkrautjäten ist das bügeln des gartens. grauslige pflicht – wenn man denn meint, es tun zu müssen. körperlich anstrengend ist es obendrein, in gebückter haltung oder knieend im beet unwillkommenes grünzeug samt wurzeln aus dem boden zu rupfen. das ist beschwerlich, nicht erst im alter – aber dann erst recht. unkrautfreie beete sind wie bügelfreie hemden: es gibt sie nicht wirklich. wer daran glaubt, macht sich selbst etwas vor.

zurück zum rentnergarten: auch das büro für besondere maßnahmen hat neuerdings ein stückchen pseudo-toscana am haus. sehr sauber. sehr ordentlich. sehr steril. sehr leblos.

weil das für die hausleute praktisch ist. es ist so dermaßen praktisch, dass man jetzt auf dem balkon im ersten stock keine blumenkästen mehr bepflanzen darf, weil sonst die herabfallenden geranienblütenblätter auf den schönen grauen steinen landen und letztere unschön bunt verfärben könnten.

da bin ich jetzt aber echt froh. geranien konnte ich noch nie leiden, dieses spießige gewächs!


Nachtrag im Februar 2013:
Hier geht es zur Fortsetzung.
Schlimmer geht immer!

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Mittwoch, 2. März 2011

verkehrserziehung

„Wer abbiegen will, muß dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen“ - und zwar, bis sicher ist, dass andere verkehrsteilnehmerInnen das vor dem eigenen abbiegen bemerken konnten. so steht es in der deutschen straßenverkehrsordnung, StVO § 9, die für alle verkehrsteilnehmerInnen verbindlich ist.


„fahrtrichtungsanzeiger“ im sinne der deutschen straßenverkehrsordnung sind - beim auto - im allgemeinen diese kleinen gelben lämpchen: vorne und hinten, rechts und links. im volksmund auch „blinker“ genannt.

diese blinkelämpchen sind im grunde ganz einfach und unkompliziert in betrieb zu setzen: vorne in der nähe des lenkrads gibt es dafür nette hebelchen, die ganz leicht erreichbar und ohne verrenkungen zu bedienen sind.

in deutschland gibt es elektrisch blinkende fahrtrichtungsanzeiger am auto immerhin seit den 50er jahren – also seit mehr als einem halbem jahrhundert. davor wurde das abbiegen halbautomatisch angezeigt mit mechanischen ‚winkern‘ und noch früher mit metallschildchen, die während der fahrt von hand betrieben wurden.

im grunde also lange genug, um sich damit anzufreunden und an deren gebrauch zu gewöhnen.

worauf ich hinaus will?! ich bin genervt, weil gefühlte 69 % der autofahrerInnen gar nicht zu wissen scheinen, dass sie so was am auto haben. mein gefühl trügt mich natürlich. in echt sind es nur ein gutes drittel (studie des Auto Club Europa ACE von 2008), die gar nicht blinken oder falsch oder zu spät.

woran liegt‘s?! das ist ja nicht neu. früher, als ich noch in berlin (west, später einig) lebte, war meine theorie, dass die DDR aus reiner perfidie in ihren grenzübergangsanlagen blinkerzerstörsender eingebaut hatte, so dass die innerstädtisch an vielen autos nicht mehr funktionierten.

seitdem ich auf dem land lebe in BRD südwest, weiß ich, dass es nicht nur daran gelegen haben kann. denn auch die landbevölkerung liebt (und/oder kennt) ihren blinkerhebel nicht.

leider kann ich nicht in die köpfe hinter den lenkrädern blicken. denken sie „blinken VOR dem abbiegen? wozu?! ich weiß doch, wo ich hin will!“ oder „wo ich hin will, das geht euch alle gar nichts an. das zeige ich  nicht – wozu haben wir datenschutz?!“ oder haben sich die sparsamen schwaben, die meist feist und selbstzufrieden in ihren sterngekrönten karossen sitzen, blinkerfreie sonderanfertigungen bauen lassen, weil die billiger sind?

allenfalls wird nach dem abbiegen geblinkt: als ob sie einen an der nase herumführen wollten oder einen lästigen verfolger abschütteln: „ätschbätsch ich bin abgebogen und du hast es gar nicht gemerkt!“

ja. ich bin genervt. weil das meine zeit kostet und doppelte aufmerksamkeit verlangt im ohnehin oft unübersichtlichen verkehrsgewusel.

genau so genervt bin ich von den kerlen, die mir testosterongesteuert an der stoßstange kleben – bloß weil ich mich an die erlaubte höchstgeschwindigkeit halte. sicherheitsabstand?!  halber tacho?! das ist doch nur was für fahranfänger! ich muss mich dann immer sehr zusammenreißen, nicht vor lauter schreck eine sofortige vollbremsung hinzulegen.

vor vielen jahren war ich einmal sehr liebevoll befreundet mit einem taxifahrer. der hatte voll die ruhe weg und sagte „es gibt überhaupt keinen grund, ungeduldig zu werden und zu drängeln, bloß weil vor mir jemand langsamer ist und nicht so schnell fährt, wie ich das möchte.“ eben.

trotzdem verzichte ich in den mit blendlicht genötigten augenblicken (in denen dann seltsamerweise auch deren überholspurblinker wieder funktioniert) auf die schreckbremse - aus gründen der kognitiven disziplin. schließlich wäre dann ich diejenige, deren auto platt gefahren wird.

das eigene auto platt gefahren kriegen, das ist schon schlimm genug, wenn eine nicht drin sitzt. so wie es mir hier im dorf vor ein paar jahren passierte:

brav parkte mein auto vor dem haus, während ich mit dem fahrrad unterwegs war. nichtsahnend kam ich zurück, da war das hinterteil von meinem alten, aber zuverlässigen golf nur noch schrott. kein täter weit und breit, nicht mal eine nachricht unterm scheibenwischer.

als ich ins haus kam, lauerte mir der vermieter auf und teilte mir mit, ich solle nicht erschrecken mit dem auto, das sei nur der ehemalige dorfmetzger gewesen; dem sei in der kurve oberhalb von meinem parkplatz der anhänger von der kupplung gesprungen (weil er es wohl eilig und den hänger nicht sorgfältig genug befestigt hatte) und rückwärts den berg runter auf mein auto gerollt.

aha.

ich könne doch froh sein, dass ich nicht dringesessen sei und überhaupt noch schlimmer wäre es gewesen, wenn das auto andersrum gestanden wäre, dann wäre der motorblock kaputt. und noch noch schlimmer wäre es gewesen, wenn da menschen oder gar kinder gestanden hätten und totgerollt worden wären von dem anhänger. aber so sei es ja nur der kofferraum, das auto könne ja noch fahren und das bräuchte man nicht der polizei melden. sagte der vermieter.

ich war sehr genervt und sehr wütend, weil ich den ganzen ärger an der backe hatte mit der versicherung vom ehemaligen dorfsmetzger, während selbiger sich feist und selbstzufrieden in seinen fernsehsessel fläzte und sich von seinem schreck erholte.

mein gut gepflegter golf war ein wirtschaftlicher totalschaden, die metzgersversicherung zahlte nur den restwert – und das war weit weniger als ein gleichwertiges gebrauchtes auto kostete. es war sehr lästig und zeitaufwändig, einen angemessenen ersatz zu finden.

der ehemalige dorfsmetzger übrigens hat sich nicht ein einziges mal bei mir gemeldet. geschweige denn für den angerichteten schaden entschuldigt.

so sind sie hier auf dem lande. sehr verkehrsungezogen.


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Dienstag, 1. Februar 2011

farbrausch - vermietergeschichte no. 4

im haus gibt es veränderungen.


nein, der vermieter hat seine polkaquetschkommode nicht verschrottet.

im gegenteil. erst neulich hat er mit ein paar kumpels aus dem dorf eine neue combo gegründet. sie nennen sich ungefähr „die letzten raketen“. aus datenschutzrechtlichen gründen möchte ich hier den genauen namen nicht nennen.

da die jungs aber outstanding kreativ sind, wundert es mich nicht, dass ihre band entstand, nachdem im vergangenen jahr ein gleichnamiger film über eine seniorenbänd mit jan josef liefers in allen programmen der ard rauf und runter lief. ein sehr schöner, heiterer und aufmüpfiger film, übrigens. was ich von der hausbesitzermusik nicht sagen kann.

es wird also weiterhin regelmäßig geübt in der beletage. täglich ländliches rumtata, gerne stundenlang bodenständiger viervierteltakt. der vermieter ist anfang sechzig. andere rentner sind in dem alter alt-68er. ich bleibe friedlich. sie haben mir seit mehr als sechs jahren die miete nicht erhöht.

die veränderung im haus ist anderer art.

es begann schon im sommer. als ich von der reha zurück kam, war der lebensgefährte von vermieters töchterlein (wohnung parterre) ausgezogen. gut, dachte ich mir: wenn der alte (liebhaber) nicht geht, kann der neue nicht kommen. altes chinesisches sprichwort. schon im frühsommer hatte ich sie mit einem anderen mann hand in hand durch die reben schlendern sehen.

nicht dass ihr denkt, das liebesleben der winzerdorfbewohnerInnen würde mich sonderlich interessieren. aber selbst die fortschrittlichste freie radikale wird wunderlich, wenn sie so lange in einem so ehrenwerten haus lebt.

der alte war also weg. im dezember dann wurde mir von der vermieterin eröffnet, dass es einen umzug geben würde. also einen weiteren aus- und einen einzug. sie drückt sich gerne etwas umständlich aus. so hat nun töchterlein vor zwei wochen ihr hotel mama verlassen und ist zu dem neuen gezogen. weltbewegende 140 km weit fort in die fremde ferne.

töchterlein ist ungefähr mitte dreißig. mama hat abschiedsschmerz. ich bin da leidenschaftslos aber ein bißchen froh, weil meine wohnung nicht mehr täglich bebt, wenn töchterlein das haus bevölkert.

schluss mit treppenabsatzklappern mit großem getöse, interfamiliärer kommunikation über die stockwerke gebrüllt und türenknallen auf dem weg zur arbeit morgens um halb acht. das ist seit mehr als sechs jahren meine aufwachzeit. ich werde nun einen wecker kaufen müssen.

jetzt ist sie also weg. da die alte gegangen ist, kann der neue (mieter) kommen. der neue – so viel hat die hausfrau mir schon verraten – ist ein junger (also jünger als sie) auswärts berufstätiger mann, der vorraussichtlich (= vermieterspeak für hoffentlich) nur am wochenende im haus sein wird.

„außerdem sind die eltern aus dem dorf, die kennen wir schon seit jahrzehnten. da hoffen wir mal, dass das gut geht.“ aha. der arme kerl. voll unter elterlicher und vermieterlicher kontrolle. mir schwant, das scheint ihnen wichtig zu sein, nachdem sie meine eltern immer noch nicht kennen und auch ich mich nicht sonderlich gut kontrollieren lasse.

damit der neue auch tatsächlich kommen will, wird die wohnung im erdgeschoss vorher renoviert. das passiert derzeit. weil die vermieter ordentliche deutsche sind, wird auch nur mit ordentlicher farbe gepinselt: die supergiftige mit dem totenkopf auf dem etikett. weil die länger hält. oder bessere ergebnisse bringt. was weiß denn ich.

farbtöpfe und aller anderer „renovierkram“ stehen auf meiner ‚absolutely-no-like-liste‘. die dämpfe sind mir zu heftig. machen kopfschmerzen, übelkeit und schwindelfegühl. die vermieter hingegen scheinen nicht nur mit den ohren taub zu sein, sondern auch in der nase. gnadenlos und tagelang stehen sie glücklich grinsend im farbmief als wären sie sniffer auf tüte.

vielleicht brauchen sie den ätherischen chemokick, um das eigene gedudel besser ertragen zu können. damit nicht gleich wieder alles verfliegt, verzichten sie darauf, fenster und balkontür zu öffnen. statt dessen wird ausgiebig ins treppenhaus gelüftet.

weil dünste aus physikalischen gründen gerne mal noch oben verfliegen, landen sie alle bei mir unterm dach. meine wohnungstür ist nicht dicht – kurz: ich habe derzeit ein olfaktorisches gleichgewichtsproblem.

im vergleich zu dem, was mir sonst so schlaflose nächte macht, ist das eine geradezu harmlose ablenkung.


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Mittwoch, 14. Juli 2010

ein wespennest gestochen

vier stück. in jedem dachfenster eines. wespennester. kleben von außen unter der abdeckung der fensterrahmen. seit wochen schon. ungefähr zehn zentimeter im durchmesser. pro stück zwei bis drei dutzend wespen. oder mehr.

nestbau: gallische feldwespen

womöglich schon seit jahren, jedes jahr wieder - und ich habe sie erst dieses jahr entdeckt. zumindest eines war schon im vergangenen jahr da. das eine am großen bürofenster. das mit der schönen aussicht.

entdeckt habe ich die tierchen, als im spätsommer die schwarzen larven aus den waben rutschten, bei geöffnetem fenster auf mein sofa glitschten und doofe schwarze flecken hinterließen. zuerst dachte ich, da scheißt mir was in die wohnung. aber niemand hat mich beschissen.

das waren wespenlarven. weil das nest nicht waagerecht gebaut ist, sondern schräg über kopf. komisch, dass die wespen das nicht wissen. man baut doch kein nest mit larvenrutsche.

bei mir jedenfalls purzelten ihre larven auf den teppich. erst fand ich's eklig. dann habe ich mich informiert. nicht gefräßige deutsche wespen siedeln an meiner hütte, sondern zierliche gallische feldwespen. die sind geradezu friedfertig unanggressiv und sehr nützlich. jedenfalls stechen sie fast gar nicht. sind also harmlos.

danach fand ich meine zahlreichen schwarzgelben mitbewohnerinnen eher spannend: alles, was sich um die moskitos in meiner nähe kümmert, ist mir willkommen.

in diesem jahr habe ich das erste nest entdeckt, als ich während der beginnenden hitzewelle ein großes nasses tuch von außen auf das dachfenster gelegt habe. das mache ich jeden sommer. für die verdunstungskühle. das hilft mir, in der wohnung nicht allzu sehr zu schwitzen. sonnig warme südwestseite, die mit der schönen aussicht.

als ich etwas ungelenk mit dem großen schweren handtuch hantierte, haben sie sich wohl gestört gefühlt. eine von allen hat mich gestochen. es war weniger schlimm als ein mückenstich, tausend mal harmloser als ein bremsenbiss.

erst hatte ich angst. dann habe ich mich noch einmal schlau gemacht. habe überlegt, das nest entfernen zu lassen. wespen stehen unter naturschutz. kann ich nicht selbst machen. da muss ein wespenbeauftragter her. ist allein auch zu gefährlich. ein wespenbeauftragter kostet geld. geld habe ich nicht so viel.

hin und her habe ich überlegt. eine freundin sagte „das musst du nicht selbst zahlen. ist vermietersache. das nest ist da schließlich, weil die baulichen gegebenheiten das möglich machen.“

ich habe weiter hin und her überlegt. den vermieter informieren? der schert sich einen dreck um naturschutz, streicht nur mit totenkopfgiftiger farbe, fährt ein benzinverbrauchsintensives auto. er gehört zur goldenen generation: kurz nach dem krieg geboren, ein leben lang nur aufschwung erlebt, von der lehre bis zur rente im selben betrieb – er kann es sich leisten, unseren planeten zu verprassen.

die armen wespen. hätte ich dem vermieter davon erzählt, der wäre gleich mit der giftspritze gekommen, hätte alle nester effektiv und gnadenlos ausgeräuchert: mich, meine wohnung und die katze wahrscheinlich gleich mit.

ich konnte mich nicht entscheiden. da die wespen wirklich nicht aggressiv sind und sich im grunde für nichts interessieren außer ihren nestbau, habe ich sie erst mal geduldet.

so nach und nach entdeckte ich an allen anderen schrägen dachfenstern je eine weitere dieser akkuraten architektonischen naturschönheiten, gebaut von gallischen feldwespen.

ich gewöhnte mich daran. so leben wir nun schon seit mehreren wochen als hausgemeinschaft. vier wespennester und ich. erstens bin ich sowieso nur noch bis ende des monats hier. wenn ich dann zurück komme im september, ist die wespenflugsaison quasi vorbei. kein grund zur panik.

kein drama also, die wespen und ich. bis gestern abend eines der nester sich löste und mir fast auf den kopf fiel: am fenster im bad, direkt über dem klo. da saß ich.

wenn so ein nest abstürzt, sind drei dutzend wespen irritiert. dann stechen sie natürlich doch, weil sie angst haben um ihre brut: die arbeit eines ganzen sommers dahin, das lebenswerk von dreißig wespen zerstört.

also doch ein kleiner grund zur panik, aber ich hatte glück. das nest fiel mir nicht auf den kopf, sondern blieb hängen am fenstergriff. da hing es dann. direkt über mir. drei dutzend irritierte wespen.

ich wusste nicht, wie ich dieses noch bewohnte und bestens bewachte wespennest an einen absturzsicheren platz hätte bugsieren können, ohne selbst zerstochen zu werden.

nicht einmal das fenster hätte ich schließen können, ohne einen wespenaufruhr zu riskieren. das lose wespennest hätte jederzeit - auch ohne weitere erschütterung - vollends abstürzen können.

niemals in meinem leben hatte ich angst, dass der himmel mir auf den kopf fallen könnte. aber vor bewohnten wespennestern habe ich respekt. ich wäre sicher nicht daran gestorben. aber ich hatte angst.

da habe ich es getan. ich habe die giftspritzdose geholt und gut zwei dutzend französische feldwespen ermordet. es war vorsorgliche notwehr. es tat mir unendlich leid. das verlassene nest habe ich später in die dachrinne geschubst. es war ganz leicht.

nun sehe ich immer wieder wespen, die ganz ratlos umherfliegen an dieser stelle am badezimmerfenster über dem klo, wo bis gestern ihr arbeitsplatz war. ich bin zerknirscht. ich habe alle leichen um verzeihung gebeten. alle überlebenden auch.

jetzt habe ich nur noch drei wespennester. ich werde versuchen, bis zur abreise die fenster nicht allzu oft zu öffnen.


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Sonntag, 21. März 2010

in memoriam - katzengeschichte no 5

„jetzt ist sie schon wiiieder weg!“ - ich hatte bloß kurz das fenster aufgemacht und zack! war mii-zeh maier nach draußen entwitscht. wir wohnten erst seit kurzem in der nähe vom flughafen, und meiner älteren katze schien es hier überhaupt nicht zu gefallen. dabei hatte ich mich auch den beiden katztieren zuliebe für die wohngemeinschaft im reihenhäuschen mit garten entschieden.


„jetzt wohnst du in berlin-westdeutschland,“ hatte eine freundin leicht spöttisch gesagt. sie fand meine neue wohngegend spießig. ich hingegen empfand die fliegersiedlung in der gartenstadt von neu-tempelhof nach langen jahren im sozialen brennpunkt zwischen kreuzberg und neukölln - wo ich schon mal im eigenen treppenhaus mit dem messer bedroht worden war - als wohltuend harmlos.

das haus war auch ganz hübsch, eins von den fritz-bräuning-häusern, sozialer wohnbau aus den 1920er jahren. ich empfand es als ehre, dort wohnen zu dürfen.

die katze hingegen war ständig unterwegs. für wochen! das ging von anfang an so. sie hatte sehr viel schneller gemerkt als ich, dass das nicht das richtige war für uns: das haus lag in der ein-/ausflugschneise des innenstadtflughafens. ende der neunziger jahre war in tempelhof noch mächtig betrieb. die flugzeuge warfen ihre lauten schatten auf den frühstückstisch. je nach wetterlage schmeckte nicht nur der salat nach kerosin.

ob es nun der flughafen war, der meiner katz‘ nicht in den kram passte oder der kater aus der nachbarschaft, der unser wohnzimmer als transit benutzte auf seinem weg vom garten über das vordach durch mein zimmer in die oberen stockwerke, wo er bei den mitbewohnern willkommen war - egal!

ich verbrachte einen großen teil von sommer und herbst damit, suchezettel aufzuhängen an laternenmasten oder in tierarztpraxen sowie in den gärten im umkreis von einem dreiviertel kilometer nach der katze zu fahnden.

mal rief mich jemand an, er habe die katze gesehen, und ich hatte zumindest einen ungefähren anhaltspunkt für meine suche. mal ließ sie sich finden, mal nicht. wenn ich sie gefunden hatte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie sich auch einfangen ließ. sie schien zu wissen, dass ich sie ins ungeliebte haus zurückbringen würde und wich mir aus – ganz egal wie viel schabefleisch ich ihr auch hinhielt.

mein zweites katztier – mafia cioccolata - war geduldiger und blieb bei mir. sie war schon immer die häuslichere gewesen von den beiden. aber richtig wohl gefühlt hat auch sie sich nicht in dem haus, wo wir meist fenster und türen geschlossen halten mussten wegen des anderen katers und sie sich nicht frei bewegen konnte.

anfang juli 1998 waren wir umgezogen. im august war mii-zeh das erste mal weg. ich fand sie wieder, nach wochen. im september war sie das zweite mal weg. ich fand sie wieder. am 9. oktober verschwand sie endgültig aus dem leonhardyweg. ich suchte sie sehr, wochenlang - aber ich fand sie nicht. im geiste sah ich sie abwechselnd mit sonnenbrille, köfferchen und ticket auf dem rollfeld stehen und auf ihren flieger warten oder bei einer alten dame rundum verwöhnt auf dunkelroten samtkissen mit goldrand thronen.

was der katze nicht gefiel, war auch für mich nicht gut: peu à peu bemerkte ich neben den lästigen flughafenbegleiterscheinungen andere unappetitlichkeiten: unter der treppe türmten sich schimmelnd leere bierflaschen, die mitbewohner züchteten wissenschaftliche experimente im kühlschrank – und mir wurde verboten, unangenehmes auszusprechen, weil doch das kind ein waldorfkind war und keinerlei disharmonie vertrug.

ab mitte oktober war ich wieder auf wohnungssuche. einen neuen mietvertrag für ein schmuckstück von altbauwohnung am oberen kurfürstendamm gab es bereits ende november, kurz vor weihnachten zog ich endlich um. ich hatte nur noch eine katze: mafia schmiss sich auf die frisch abgezogenen dielen, sie liebte das hochbett und den kleinen balkon, die kartons ganz oben auf dem regal waren ihr ausguck.

an mii-zeh maier dachte ich oft. es tat weh, nicht zu wissen, was aus ihr geworden war. ging es ihr gut? hatte sie sich ein feines plätzchen gefunden? die hoffnung, sie wiederzufinden, hatte ich aufgegeben und versuchte, mich mit dem verlust des geliebten tieres zu arrangieren. ich produzierte in der masurenallee viele viele hörfunkbeiträge und erhielt im januar 1999 die chance, als feste freie regelmäßig für die kulturwelle zu arbeiten.

als ich am ersten februar aus dem funkhaus kam, blinkte der anrufbeantworter, eine jungenstimme: „ich glaube, wir haben ihre katze gefunden, bitte rufen sie zurück.“

es war ein kalter wintertag. schnee in berlin, die straßen vereist. mii-zeh hatte vor dem tempelhofer st.-josefs-krankenhaus fast einen verkehrsunfall verursacht, als sie über die straße gelaufen war. der junge hatte sie beobachtet, sie hatte hunger und ließ sich von ihm einfangen. er brachte sie zu sich nach hause, öffnete die kapsel an ihrem halsband, das sie trotz der langen zeit da draußen in der millionenstadt nicht verloren hatte.

er fand darin meine alte telefonnummer. damals war die telekom noch sehr streng: wenn man in berlin von einem stadtteil in den anderen zog, durfte man die telefonnummer nicht mitnehmen. ich hatte auf der alten leitung eine tonbandansage schalten lassen, dass die nummer sich geändert hatte – mit angabe der neuen rufnummer. dieser service war kostenlos, immerhin.

der junge hatte die alte nummer gewählt. hatte dem tonband geduldig zugehört, sich die neue nummer notiert und mich dort noch einmal angerufen. er hatte tatsächlich meine katze gefunden!

wie ferngesteuert schnappte ich mir den katzenkorb, schlitterte mit meinem alten auto quer durch die schon dunkle stadt; verursachte einen stau, als die batterie mitten auf einer großen kreuzung versagte und starthilfe brauchte – und kniete plötzlich in einer fremden wohnung vor einem großen ohrensessel, unter dem sich meine! meine! meine! katze mit angstvoll leuchtenden augen verkrochen hatte.

ich bedankte mich, zahlte einen finderlohn und brachte das wunder mii-zeh maier nach hause: mehr als vier monate lang hatte sie sich in der großstadt alleine draußen durchgeschlagen, den ganzen langen winter lang. sie war unverletzt, sie war gesund, sehr schlank und unverändert schön.

in der „neuen“ wohnung schnupperte sie kurz an fressnapf und katzenklo, gab ihrer tochter mafia cioccolata einen nasenstüber, stieg die treppe zum hochbett hoch und setzte sich schnurrend auf die regalkartons als hätte sie nie etwas anderes getan.

die schwierigste aufgabe war jetzt, meinem damaligen vermieter vorsichtig zu erklären, dass ich plötzlich zwei katzen hatte. der milde dr. M duldete sie freundlich.

nur wenige tage später hat die telekom das tonband mit der umzugsmeldung abgeschaltet.
mii-zeh maier war weiterhin oft und lange draußen unterwegs, aber sie lief nie wieder weg.
wir hatten danach noch zehn schöne jahre miteinander.
wo sie war und was sie erlebt hat in jenem winter 1998/99 allein im wilden und gefährlichen großstadtdschungel - das hat sie mir nicht erzählt.
die nacht vom 21. auf den 22. märz vor einem jahr war ihre letzte.


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Montag, 1. März 2010

dampf ablassen - eine vermietergeschichte

liebes publikum, ich muss euch heute leider mal missbrauchen, um mir groben frust von der seele zu schreiben. wenn ich das nicht gleich loswerde, dann zerknirsche ich mir wieder die zähne vor wut. im folgenden text geht es alo nicht um eine besondere maßnahme. der folgende text ist eine besondere maßnahme.

es ist ein - virtueller - brief an meinen vermieter. der lebt im selben haus wie ich. damit bin ich ganz nah dran am eigentlichen thema meines blogs:

Weiße Orchidee: coelogyne cristata


Betreff: Ihre Anfeindungen von heute Nachmittag ca. 17 Uhr

Sehr geehrter Herr Vermieter,

nach Ihrem cholerischen, unbeherrschten Auftritt von vorhin sind meiner Meinung nach ein paar klärende Worte nötig:

Da dies nicht Ihr erster Angriff war auf mich ‚von oben herab‘, halte ich es für besser, wenn wir uns in Zukunft nicht mehr duzen. Ab sofort bestehe ich wieder auf dem "Sie". Vielleicht fällt es Ihnen ja dann leichter, mir gegenüber respektvoll zu sein.

Ich erinnere an Ihren nächtlichen Überfall vor einem guten Jahr, als Sie nach 22 Uhr bei mir Sturm klingelten, vor meiner Wohnungstüre standen und mich anbrüllten wegen etwas, für das ich überhaupt nicht verantwortlich war. Damals ging es um die spät abends wohl noch offen stehende Haustüre. An jenem Tag war ich gegen 17 Uhr nach Hause gekommen und hatte wie immer sehr darauf geachtet, dass die Haustüre ins Schloss fällt. Schließlich bin ich hier oben unterm Dach die letzte, die es mitkriegt, wenn jemand ins Haus käme, der hier nicht hingehört. Danach hatte ich an jenem Abend meine Wohnung gar nicht mehr verlassen, geschweige denn die Klinke der Haustüre auch nur in der Hand gehabt. Ich weiß allerdings sehr wohl, dass zwischen 17 und 22 Uhr noch andere Hausbewohner durch diese Tür gekommen oder gegangen sind.

Sie hatten es damals nicht einmal nötig, sich für Ihre ungerechtfertigten Vorwürfe und Ihr überzogenes Auftreten zu entschuldigen. Ganz im Gegenteil: Statt dessen warfen Sie mir noch vor, ich solle mich nicht so haben, Sie hätten die anderen unten im Erdgeschoss – also Ihre Tochter und deren Lebensgefährten - genauso angebrüllt wie mich.

Mal ehrlich, Herr Vermieter: Mag ja sein, dass Ihre Kinder und Ihre verhärmte Ehefrau das mitmachen und sich von Ihnen anbrüllen lassen. Aber ich bin hier nicht die Dachstubenmieze, die Sie mal eben zur Schnecke machen können, weil Sie sich für den Großgrundbesitzer von Gottes Gnaden halten. Ich bin Ihre Mieterin. Wir sind Vertragspartner. Ich zahle die Miete pünktlich und regelmäßig. Seit Jahren. Ich erwarte einen angemessenen Umgangston.

Heute nun warfen Sie mir vor, ich hätte „geklopft“. Ich habe nicht geklopft. Tatsache ist, dass ich das Haus am Morgen kurz nach 8 Uhr verlassen habe und bis 17 Uhr unterwegs war. Ich weiß nicht, was Sie gehört haben wollen.

Allgemein bin ganz sicher nicht ich diejenige im Haus, die für den oft ziemlich hohen Lärmpegel verantwortlich zu machen ist. Weder brülle ich durchs Haus, noch trample ich auf hohen Absätzen die Treppen auf und ab. Ich knalle auch nicht die Türen so laut zu morgens um halb acht, dass andere HausbewohnerInnen seit Jahr und Tag keinen Wecker brauchen. Ebenso wenig benutze ich laute Gartengeräte: Weder Rasenmäher noch elektrische Heckenschere, nicht Fliesenschneider oder Kreissäge und erst recht nicht Laubpuster gehören zu meinem Repertoire. Ich bin auch niemals nach Mitternacht mit einer Horde Besoffener unter Ihrem Schlafzimmerfenster im Garten gestanden und habe reaktionäres deutsches Volksliedgut gegrölt bis morgens um fünf, begleitet von lautem Akkordeongedudel.

Ich malträtiere nicht täglich über Stunden ein Instrument, das noch bis in die Nachbarschaft zu hören ist, ohne mich an irgendwelche Ruhe- oder Nacht- oder Feiertagszeiten zu halten. Ich tu‘ auch nicht so als wäre ich mit Jaulen und Grölen eine Sängerin, immer anderthalb Töne daneben, mindestens. Musik geht anders.

Ihr Dilettieren ist von meiner Wohnung aus selbst bei geschlossenen Fenstern und Türen bestens zu hören. Wenn ich dann mal Gäste habe, ernte ich mitleidige Blicke und werde ungläubig gefragt, wie ich das schon all die Jahre aushalte. Das weiß ich manchmal selbst nicht so genau. Meistens ist es die Aussicht, die mich hier hält. Dabei weiß ich sehr wohl, dass eine sonnige Optik allein nicht ausreicht, um mich wohlzufühlen.

Sie sagten vorhin auch, Sie hätten Besuch gehabt und ich solle so etwas NIE WIEDER tun. Mal ganz abgesehen davon, dass ich etwas, das ich nicht getan habe, sowieso nicht wiederholen kann – haben Sie bei all Ihrer Lärmerei jemals Rücksicht darauf genommen, ob ich Besuch habe oder nicht? Hätte ich Ihrer Meinung nach „klopfen“ dürfen, wenn Sie alleine in Ihrer Wohnung gewesen wären?

Da Sie sich vorhin wohl so richtig schön selbst in Rage gewütet hatten, holten Sie gleich zum Rundumschlag aus und warfen mir vor, ich hätte in diesem Jahr überhaupt keinen Schnee geräumt. Das stimmt. Es gab auch keinen Plan. Einen solchen zu erstellen und auszuhängen, ist Ihre Aufgabe als Vermieter, nicht meine. Wenn Sie das gewollt hätten, dass ich mich am Räumdienst wieder beteilige, hätten Sie es nur sagen brauchen. Hellsehen gehört nicht zu meinen Mieterpflichten.

Sie wissen, dass ich da ganz kooperativ bin. Ich erinnere vorsichtig an das vergangene Jahr, als Sie einen solchen Schneeräumplan plötzlich (nach vier Jahren ohne) für nötig hielten und ohne weitere Erklärung oder Absprache aushängten. Ganz „zufällig“ war dann ich an allen Ferien- und Feiertagen fürs Schneeschippen zuständig, damit Sie Weihnachten und Neujahr und Fasching und Ostern mit der gesamten Mischpoke in Urlaub fahren konnten. Ich habe nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Dass dann in ‚meinen‘ Wochen kein Schnee fiel, sondern immer nur dann, wenn Sie an der Reihe waren, also dafür konnte ich nun wirklich nichts. Dass es in diesem Jahr, wo es keinen Plan gab (weil Sie nicht in Urlaub waren?), zweieinhalb Monate am Stück geschneit hat und Sie fast täglich schippen und salzen mussten – auch das lag nicht in meiner Verantwortung.

Also noch einmal: Ich habe nicht geklopft. Sie seien schließlich Musiker, haben Sie vorhin noch geschimpft mit mir. Und Sie hätten Besuch gehabt. Ja, und? Berechtigt Sie das eine oder das andere dazu, Ihre Mieterin anzubrüllen? Wegen nichts? Sie haben mir nicht einmal erlaubt, mit auch nur einem einzigen Wort zu Ihren hanebüchenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Das war schade. Denn so konnte ich Ihnen gar nicht sagen, dass ich Ihre Aussage, Sie seien schließlich Musiker, für eitle Arroganz und maßlose Selbstüberschätzung halte. Mag sein, Sie entlocken Ihrem steirischen Polka-Akkordeon ein extra-lautes Rumtata-Gedudel, das auch den Geschmack ihrer tumben Saufkumpane trifft. Mit Musik in meinen Ohren aber hat das nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine Lärmbelästigung, von der man Gehörgangskrebs kriegt, wenn man sich nicht ganz schnelle aus dem Staube macht.

Vielleicht war es aber auch ganz gut so, dass Sie mich nicht haben zu Wort kommen lassen, sondern gleich feige hinter ihrer Wohnungstüre verschwunden sind - wie üblich nach Ihren peinlichen Schimpftiraden. Denn wenn ICH mich mal in Rage geredet hätte, wäre mir womöglich ganz unzensiert über die Lippen gepurzelt, dass ich Sie für einen chauvialen, ekelhaften alten Mann halte, der unzufrieden ist mit sich selbst und miesepetrig andere Leute rumkommandiert, um sich wichtig zu fühlen.

Und wer weiß, vielleicht hätte ich dann wirklich mal ganz laut geklopft. Nur damit Sie wissen, wie das ist.

Mit herzhaften Grüßen
Ihre Mieterin


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Dienstag, 8. September 2009

miezhaus oder was? vermietergeschichte no. 2

ich lebe ja auf dem lande, seit ein paar jahren. in einem mietshaus. aber nein – das stimmt so eigentlich nicht. denn in einem miezhaus leben ja nur mieterInnen. in 'meinem' miezhaus lebt aber auch noch der vermieter samt mischpoke - und ich bin die einzige mieterin.



die formulierung „ich wohne zur miete in einem eigenheim“ ist allerdings auch nicht so ganz richtig. aber wie nenne ich es dann?! hört mal zu:

das haus, in dem ich wohne, ist am hang gebaut und hat drei etagen. wenn ich die garagen samt vorplatz mitzähle, sind es vier etagen.

unten direkt vorm haus ist eine kleine straße. oben direkt hinter dem haus ist eine andere kleine straße.

von der unteren straße aus geht es vor dem haus die treppe hoch zum hauseingang. das sind siebzehn hohe unregelmäßige stufen – also fast ein ganzes stockwerk.

rein ins haus, wohnen gleich unten die vermietertochter und ihr lebensgefährte. vielleicht sind sie auch verheiratet. das weiß ich nicht. sie tragen jeweils ihren eigenen familiennamen. für ein miteinander verheiratetes paar wäre das in dieser sehr konservativen katholischen gegend eher ungewöhnlich. im grunde aber ist mir das egal, und es geht mich auch nix an.

die erdgeschossleute haben vor ihrem wohnzimmer eine überdachte terrasse und einen eigenen garten, gesäumt von einer hohen, undurchsichtigen weißbuchenhecke. eine rückseite hat ihre wohnung nicht: sie ist wie ein keller in den berg gebaut. so heißen denn auch alle anderen räume im erdgeschoss „keller“: es gibt den heizungskeller und den hobbykeller und den vorratskeller. nur wo sie wohnen, da heißt es ‚wohnung‘.

geht man vom hauseingang im erdgeschoss die grün gesprenkelte marmortreppe nach oben, landet man im ersten stock, in der „beletage“. hier lebt das vermieterehepaar.

ihre wohnung ist nach allen seiten oberhalb der erde gebaut und hat fenster rundum, nach südwesten einen wintergarten mit terrasse und ebenfalls einen vorgarten, gesäumt von akkurat gestutzten undurchsichtigen eibenhecken auf der repräsentierseite und gemischten sträuchern auf der rückwärtigen straßenseite.

geht man im grün gesprenkelten marmortreppenhaus noch eine etage weiter nach oben, landet man bei mir unter dem dach – und da ist die treppe dann auch zu ende. unterwegs muss man sich bücken, weil das dach schon schräg und das treppenhaus sehr niedrig ist. ich habe keinen ebenerdigen ausgang wie die anderen. das ist schade.

wenn dieses haus ein echtes schwarzwaldhaus wäre – was es aber nicht ist, es ist einem solchen nur nachempfunden durch die in den 70er jahren übliche bauweise am hang – dann lebte ich auf dem heuboden und hätte für den traktor eine breite ausfahrt auf die straße hinter dem haus. die wäre jedenfalls ebenerdig.

aber für die dachstubenbewohner war solcher luxus nie vorgesehen. und so ist das einzig ebenerdige von meinem balkon aus nach draußen eine schmale hölzerne planke. sie liegt mit ihrem anderen ende auf dem dach des vermieterlichen gartenschuppens und gehört der katze. vom schuppendach aus ist es nur ein knietiefer hopser in die pflegeleicht immergrüne, brav beschnittene und blickdichte kirschlorbeerhecke hinter dem haus.

der katze gefällt das, sie kann dort unter dem immergrünen kirschlorbeer hocken und die straße sowie die reben dahinter beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. ich vermute auch, sie mag den geruch von rindenmulch, der unter der immergrünen hecke in pflegeleichten mengen das unkraut verhindern soll. unkraut mögen die hausbesitzer gar nicht gerne, denn das ist weder pflegeleicht noch blickdicht.

wenn auch keinen garten oder zumindest eine terrasse, so hat meine wohnung doch immerhin zwei balkone: einen im norden und einen im süden, jeweils an den giebelseiten. beide balkone haben fenster und türen vom boden bis unter die decke. dadurch ist es hier oben viel heller und vor allem viel luftiger, als man denken könnte, wenn man das nur von drei kleinen fensterluken durchbrochene große dunkle dach von außen sieht.

leider ist das giebeldach über dem südbalkon so weit vorgezogen, dass auf den balkon im sommer keinerlei sonnenlicht gelangt. in kombination mit dem großen baum direkt davor ist der südbalkon so dunkel, dass dort noch nicht einmal nachtschattengewächse gedeihen wollen. das ist schade. ich hätte mich hier sehr gerne mit duftenden rosen und würzigen kräutern umgeben.

was das giebeldach an licht verhindert, macht es an akustik und gerüchen wieder wett: aller schall von unten wird im giebel gebrochen und gesammelt in meine wohnung geleitet. so höre ich jedes wort, das die vermieter in der wohnung unter mir und die vermieterkinder zwei etagen tiefer sprechen – auch wenn sie telefonieren oder fernsehen. leider ist das nur selten unterhaltsam für mich.

ganz schlimm ist meinen ohren des vermieters liebstes hobby, das steirische polka-akkordeon. er spielt darauf reaktionäre volksmusik: so gut wie täglich und das sehr schlecht, hält sich weder an ruhezeiten noch an den takt - und wenn er sich besonders musikalisch fühlt, dann jault er selbst mit seinem akkordeon um die wette.

manchmal frage ich mich, ob ich wohl meine schöne aussicht zu teuer bezahle. die geräusche sind es nicht allein, nein! auch die aerodynamik in diesem haus am hang ist so genial, dass nicht nur die akustik, sondern auch alles olfaktorische von der straße und aus den unteren wohnungen zu mir heraufzieht. das ist leider öfter unappetitlich als angenehm.

es sind nicht nur weinbergstrekkermotorendieselwolken, die da bei mir einziehen. auch jede einzelne zigarette von unten landet im hintersten winkel meiner rauchfreien zone. wenn unten gegrillt wird, riecht meine frische wäsche nach würstchenqualm.

fast jedes mal, wenn ich es mir auf meinem schattenbalkon gemütlich machen möchte: irgend ein lärm ist immer. entweder bei mir im haus oder in der nachbarschaft oder irgendwo drum herum. der landmensch baut ja auch gerne mal - mit dem größten getöse, versteht sich.

so kommt es, dass es mir hier in meinem kleinen winzerdorf lauter vorkommt als in meiner früheren wohnung in berlin direkt am kurfürstendamm.

bloß nachts, wenn die gehsteige hochgeklappt und die letzten busse abgefahren sind: dann ist es hier so märchenhaft still, dass man sogar die sterne funkeln hört!


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