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Montag, 1. März 2010

dampf ablassen - eine vermietergeschichte

liebes publikum, ich muss euch heute leider mal missbrauchen, um mir groben frust von der seele zu schreiben. wenn ich das nicht gleich loswerde, dann zerknirsche ich mir wieder die zähne vor wut. im folgenden text geht es alo nicht um eine besondere maßnahme. der folgende text ist eine besondere maßnahme.

es ist ein - virtueller - brief an meinen vermieter. der lebt im selben haus wie ich. damit bin ich ganz nah dran am eigentlichen thema meines blogs:

Weiße Orchidee: coelogyne cristata


Betreff: Ihre Anfeindungen von heute Nachmittag ca. 17 Uhr

Sehr geehrter Herr Vermieter,

nach Ihrem cholerischen, unbeherrschten Auftritt von vorhin sind meiner Meinung nach ein paar klärende Worte nötig:

Da dies nicht Ihr erster Angriff war auf mich ‚von oben herab‘, halte ich es für besser, wenn wir uns in Zukunft nicht mehr duzen. Ab sofort bestehe ich wieder auf dem "Sie". Vielleicht fällt es Ihnen ja dann leichter, mir gegenüber respektvoll zu sein.

Ich erinnere an Ihren nächtlichen Überfall vor einem guten Jahr, als Sie nach 22 Uhr bei mir Sturm klingelten, vor meiner Wohnungstüre standen und mich anbrüllten wegen etwas, für das ich überhaupt nicht verantwortlich war. Damals ging es um die spät abends wohl noch offen stehende Haustüre. An jenem Tag war ich gegen 17 Uhr nach Hause gekommen und hatte wie immer sehr darauf geachtet, dass die Haustüre ins Schloss fällt. Schließlich bin ich hier oben unterm Dach die letzte, die es mitkriegt, wenn jemand ins Haus käme, der hier nicht hingehört. Danach hatte ich an jenem Abend meine Wohnung gar nicht mehr verlassen, geschweige denn die Klinke der Haustüre auch nur in der Hand gehabt. Ich weiß allerdings sehr wohl, dass zwischen 17 und 22 Uhr noch andere Hausbewohner durch diese Tür gekommen oder gegangen sind.

Sie hatten es damals nicht einmal nötig, sich für Ihre ungerechtfertigten Vorwürfe und Ihr überzogenes Auftreten zu entschuldigen. Ganz im Gegenteil: Statt dessen warfen Sie mir noch vor, ich solle mich nicht so haben, Sie hätten die anderen unten im Erdgeschoss – also Ihre Tochter und deren Lebensgefährten - genauso angebrüllt wie mich.

Mal ehrlich, Herr Vermieter: Mag ja sein, dass Ihre Kinder und Ihre verhärmte Ehefrau das mitmachen und sich von Ihnen anbrüllen lassen. Aber ich bin hier nicht die Dachstubenmieze, die Sie mal eben zur Schnecke machen können, weil Sie sich für den Großgrundbesitzer von Gottes Gnaden halten. Ich bin Ihre Mieterin. Wir sind Vertragspartner. Ich zahle die Miete pünktlich und regelmäßig. Seit Jahren. Ich erwarte einen angemessenen Umgangston.

Heute nun warfen Sie mir vor, ich hätte „geklopft“. Ich habe nicht geklopft. Tatsache ist, dass ich das Haus am Morgen kurz nach 8 Uhr verlassen habe und bis 17 Uhr unterwegs war. Ich weiß nicht, was Sie gehört haben wollen.

Allgemein bin ganz sicher nicht ich diejenige im Haus, die für den oft ziemlich hohen Lärmpegel verantwortlich zu machen ist. Weder brülle ich durchs Haus, noch trample ich auf hohen Absätzen die Treppen auf und ab. Ich knalle auch nicht die Türen so laut zu morgens um halb acht, dass andere HausbewohnerInnen seit Jahr und Tag keinen Wecker brauchen. Ebenso wenig benutze ich laute Gartengeräte: Weder Rasenmäher noch elektrische Heckenschere, nicht Fliesenschneider oder Kreissäge und erst recht nicht Laubpuster gehören zu meinem Repertoire. Ich bin auch niemals nach Mitternacht mit einer Horde Besoffener unter Ihrem Schlafzimmerfenster im Garten gestanden und habe reaktionäres deutsches Volksliedgut gegrölt bis morgens um fünf, begleitet von lautem Akkordeongedudel.

Ich malträtiere nicht täglich über Stunden ein Instrument, das noch bis in die Nachbarschaft zu hören ist, ohne mich an irgendwelche Ruhe- oder Nacht- oder Feiertagszeiten zu halten. Ich tu‘ auch nicht so als wäre ich mit Jaulen und Grölen eine Sängerin, immer anderthalb Töne daneben, mindestens. Musik geht anders.

Ihr Dilettieren ist von meiner Wohnung aus selbst bei geschlossenen Fenstern und Türen bestens zu hören. Wenn ich dann mal Gäste habe, ernte ich mitleidige Blicke und werde ungläubig gefragt, wie ich das schon all die Jahre aushalte. Das weiß ich manchmal selbst nicht so genau. Meistens ist es die Aussicht, die mich hier hält. Dabei weiß ich sehr wohl, dass eine sonnige Optik allein nicht ausreicht, um mich wohlzufühlen.

Sie sagten vorhin auch, Sie hätten Besuch gehabt und ich solle so etwas NIE WIEDER tun. Mal ganz abgesehen davon, dass ich etwas, das ich nicht getan habe, sowieso nicht wiederholen kann – haben Sie bei all Ihrer Lärmerei jemals Rücksicht darauf genommen, ob ich Besuch habe oder nicht? Hätte ich Ihrer Meinung nach „klopfen“ dürfen, wenn Sie alleine in Ihrer Wohnung gewesen wären?

Da Sie sich vorhin wohl so richtig schön selbst in Rage gewütet hatten, holten Sie gleich zum Rundumschlag aus und warfen mir vor, ich hätte in diesem Jahr überhaupt keinen Schnee geräumt. Das stimmt. Es gab auch keinen Plan. Einen solchen zu erstellen und auszuhängen, ist Ihre Aufgabe als Vermieter, nicht meine. Wenn Sie das gewollt hätten, dass ich mich am Räumdienst wieder beteilige, hätten Sie es nur sagen brauchen. Hellsehen gehört nicht zu meinen Mieterpflichten.

Sie wissen, dass ich da ganz kooperativ bin. Ich erinnere vorsichtig an das vergangene Jahr, als Sie einen solchen Schneeräumplan plötzlich (nach vier Jahren ohne) für nötig hielten und ohne weitere Erklärung oder Absprache aushängten. Ganz „zufällig“ war dann ich an allen Ferien- und Feiertagen fürs Schneeschippen zuständig, damit Sie Weihnachten und Neujahr und Fasching und Ostern mit der gesamten Mischpoke in Urlaub fahren konnten. Ich habe nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Dass dann in ‚meinen‘ Wochen kein Schnee fiel, sondern immer nur dann, wenn Sie an der Reihe waren, also dafür konnte ich nun wirklich nichts. Dass es in diesem Jahr, wo es keinen Plan gab (weil Sie nicht in Urlaub waren?), zweieinhalb Monate am Stück geschneit hat und Sie fast täglich schippen und salzen mussten – auch das lag nicht in meiner Verantwortung.

Also noch einmal: Ich habe nicht geklopft. Sie seien schließlich Musiker, haben Sie vorhin noch geschimpft mit mir. Und Sie hätten Besuch gehabt. Ja, und? Berechtigt Sie das eine oder das andere dazu, Ihre Mieterin anzubrüllen? Wegen nichts? Sie haben mir nicht einmal erlaubt, mit auch nur einem einzigen Wort zu Ihren hanebüchenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Das war schade. Denn so konnte ich Ihnen gar nicht sagen, dass ich Ihre Aussage, Sie seien schließlich Musiker, für eitle Arroganz und maßlose Selbstüberschätzung halte. Mag sein, Sie entlocken Ihrem steirischen Polka-Akkordeon ein extra-lautes Rumtata-Gedudel, das auch den Geschmack ihrer tumben Saufkumpane trifft. Mit Musik in meinen Ohren aber hat das nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine Lärmbelästigung, von der man Gehörgangskrebs kriegt, wenn man sich nicht ganz schnelle aus dem Staube macht.

Vielleicht war es aber auch ganz gut so, dass Sie mich nicht haben zu Wort kommen lassen, sondern gleich feige hinter ihrer Wohnungstüre verschwunden sind - wie üblich nach Ihren peinlichen Schimpftiraden. Denn wenn ICH mich mal in Rage geredet hätte, wäre mir womöglich ganz unzensiert über die Lippen gepurzelt, dass ich Sie für einen chauvialen, ekelhaften alten Mann halte, der unzufrieden ist mit sich selbst und miesepetrig andere Leute rumkommandiert, um sich wichtig zu fühlen.

Und wer weiß, vielleicht hätte ich dann wirklich mal ganz laut geklopft. Nur damit Sie wissen, wie das ist.

Mit herzhaften Grüßen
Ihre Mieterin


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