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Dienstag, 8. September 2009

miezhaus oder was? vermietergeschichte no. 2

ich lebe ja auf dem lande, seit ein paar jahren. in einem mietshaus. aber nein – das stimmt so eigentlich nicht. denn in einem miezhaus leben ja nur mieterInnen. in 'meinem' miezhaus lebt aber auch noch der vermieter samt mischpoke - und ich bin die einzige mieterin.



die formulierung „ich wohne zur miete in einem eigenheim“ ist allerdings auch nicht so ganz richtig. aber wie nenne ich es dann?! hört mal zu:

das haus, in dem ich wohne, ist am hang gebaut und hat drei etagen. wenn ich die garagen samt vorplatz mitzähle, sind es vier etagen.

unten direkt vorm haus ist eine kleine straße. oben direkt hinter dem haus ist eine andere kleine straße.

von der unteren straße aus geht es vor dem haus die treppe hoch zum hauseingang. das sind siebzehn hohe unregelmäßige stufen – also fast ein ganzes stockwerk.

rein ins haus, wohnen gleich unten die vermietertochter und ihr lebensgefährte. vielleicht sind sie auch verheiratet. das weiß ich nicht. sie tragen jeweils ihren eigenen familiennamen. für ein miteinander verheiratetes paar wäre das in dieser sehr konservativen katholischen gegend eher ungewöhnlich. im grunde aber ist mir das egal, und es geht mich auch nix an.

die erdgeschossleute haben vor ihrem wohnzimmer eine überdachte terrasse und einen eigenen garten, gesäumt von einer hohen, undurchsichtigen weißbuchenhecke. eine rückseite hat ihre wohnung nicht: sie ist wie ein keller in den berg gebaut. so heißen denn auch alle anderen räume im erdgeschoss „keller“: es gibt den heizungskeller und den hobbykeller und den vorratskeller. nur wo sie wohnen, da heißt es ‚wohnung‘.

geht man vom hauseingang im erdgeschoss die grün gesprenkelte marmortreppe nach oben, landet man im ersten stock, in der „beletage“. hier lebt das vermieterehepaar.

ihre wohnung ist nach allen seiten oberhalb der erde gebaut und hat fenster rundum, nach südwesten einen wintergarten mit terrasse und ebenfalls einen vorgarten, gesäumt von akkurat gestutzten undurchsichtigen eibenhecken auf der repräsentierseite und gemischten sträuchern auf der rückwärtigen straßenseite.

geht man im grün gesprenkelten marmortreppenhaus noch eine etage weiter nach oben, landet man bei mir unter dem dach – und da ist die treppe dann auch zu ende. unterwegs muss man sich bücken, weil das dach schon schräg und das treppenhaus sehr niedrig ist. ich habe keinen ebenerdigen ausgang wie die anderen. das ist schade.

wenn dieses haus ein echtes schwarzwaldhaus wäre – was es aber nicht ist, es ist einem solchen nur nachempfunden durch die in den 70er jahren übliche bauweise am hang – dann lebte ich auf dem heuboden und hätte für den traktor eine breite ausfahrt auf die straße hinter dem haus. die wäre jedenfalls ebenerdig.

aber für die dachstubenbewohner war solcher luxus nie vorgesehen. und so ist das einzig ebenerdige von meinem balkon aus nach draußen eine schmale hölzerne planke. sie liegt mit ihrem anderen ende auf dem dach des vermieterlichen gartenschuppens und gehört der katze. vom schuppendach aus ist es nur ein knietiefer hopser in die pflegeleicht immergrüne, brav beschnittene und blickdichte kirschlorbeerhecke hinter dem haus.

der katze gefällt das, sie kann dort unter dem immergrünen kirschlorbeer hocken und die straße sowie die reben dahinter beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. ich vermute auch, sie mag den geruch von rindenmulch, der unter der immergrünen hecke in pflegeleichten mengen das unkraut verhindern soll. unkraut mögen die hausbesitzer gar nicht gerne, denn das ist weder pflegeleicht noch blickdicht.

wenn auch keinen garten oder zumindest eine terrasse, so hat meine wohnung doch immerhin zwei balkone: einen im norden und einen im süden, jeweils an den giebelseiten. beide balkone haben fenster und türen vom boden bis unter die decke. dadurch ist es hier oben viel heller und vor allem viel luftiger, als man denken könnte, wenn man das nur von drei kleinen fensterluken durchbrochene große dunkle dach von außen sieht.

leider ist das giebeldach über dem südbalkon so weit vorgezogen, dass auf den balkon im sommer keinerlei sonnenlicht gelangt. in kombination mit dem großen baum direkt davor ist der südbalkon so dunkel, dass dort noch nicht einmal nachtschattengewächse gedeihen wollen. das ist schade. ich hätte mich hier sehr gerne mit duftenden rosen und würzigen kräutern umgeben.

was das giebeldach an licht verhindert, macht es an akustik und gerüchen wieder wett: aller schall von unten wird im giebel gebrochen und gesammelt in meine wohnung geleitet. so höre ich jedes wort, das die vermieter in der wohnung unter mir und die vermieterkinder zwei etagen tiefer sprechen – auch wenn sie telefonieren oder fernsehen. leider ist das nur selten unterhaltsam für mich.

ganz schlimm ist meinen ohren des vermieters liebstes hobby, das steirische polka-akkordeon. er spielt darauf reaktionäre volksmusik: so gut wie täglich und das sehr schlecht, hält sich weder an ruhezeiten noch an den takt - und wenn er sich besonders musikalisch fühlt, dann jault er selbst mit seinem akkordeon um die wette.

manchmal frage ich mich, ob ich wohl meine schöne aussicht zu teuer bezahle. die geräusche sind es nicht allein, nein! auch die aerodynamik in diesem haus am hang ist so genial, dass nicht nur die akustik, sondern auch alles olfaktorische von der straße und aus den unteren wohnungen zu mir heraufzieht. das ist leider öfter unappetitlich als angenehm.

es sind nicht nur weinbergstrekkermotorendieselwolken, die da bei mir einziehen. auch jede einzelne zigarette von unten landet im hintersten winkel meiner rauchfreien zone. wenn unten gegrillt wird, riecht meine frische wäsche nach würstchenqualm.

fast jedes mal, wenn ich es mir auf meinem schattenbalkon gemütlich machen möchte: irgend ein lärm ist immer. entweder bei mir im haus oder in der nachbarschaft oder irgendwo drum herum. der landmensch baut ja auch gerne mal - mit dem größten getöse, versteht sich.

so kommt es, dass es mir hier in meinem kleinen winzerdorf lauter vorkommt als in meiner früheren wohnung in berlin direkt am kurfürstendamm.

bloß nachts, wenn die gehsteige hochgeklappt und die letzten busse abgefahren sind: dann ist es hier so märchenhaft still, dass man sogar die sterne funkeln hört!


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