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Dienstag, 30. März 2010

der absatzmarkt

vor ein paar jahren mal gab es eine werbung, die war so gut gemacht, dass sie sich bis heute in meinem gedächtnis verhakelt hat. auf drei ganzen rechten seiten hintereinander in einer sogenannten frauenzeitschrift.

erste seite: großes fragezeichen. zweite seite – die frage: „worauf stehen die schönsten frauen?“ ich rätselte mit und fragte mich „bad pritt? jenny dopp? mon cheri?“ auf der dritten seite die antwort: „auf italienischen schuhen“.



aha. welch ein effekt! damals fand ich das lustig, diese werbekampagne der italienischen schuhindustrie. in der tat ist die mehrheit meiner schuhe italienischer herkunft.

wenn ich mir diesen satz heute so anschaue, dann macht das schöne wortspiel vor allem eines deutlich: frauen, so scheint es, stehen „auf“ schuhen, nicht „in“ schuhen. das finde ich seltsam.

wieso nicht „in schuhen .... stehen gehen laufen“ - so wie bei siebenmeilenstiefeln? da steh ich drin – nicht drauf!

dann stelle ich mir die absatzfrage - und kriege das gruseln. der öffentlich getragene absatz ist in den letzten jahren steil nach oben gegangen: hat es mit den model-casting-shows im fernsehen zu tun, dass high-heels in immer schwindelerregenderen höhen nicht nur die schuhgeschäfte füllen, sondern in zunehmendem maße auch fraußenfüße im alltag verformen? was frauen früher mal für höchstens ein paar stunden anläßlich einer festivalgala oder eines opernbesuchs an ihren füßen duldeten, muten sich heute arbeitende frauen den ganzen tag lang zu. was ist das für ein phänomen, dass – je selbst-ständiger wir frauen unsere leben gestalten (wollen), ein umso haltloseres schuhwerk unser tempo drosselt und unser fort-schreiten schier unmöglich macht, ja sogar zum scheitern verurteilt?!

barbiepuppenschuhe habe ich die dinger früher immer genannt. so welche wollte ich auch haben, klar! als teenager. natürlich nur unter der voraussetzung, „darauf“ selbst nicht laufen zu müssen – allenfalls bis zur güldenen kutsche oder – noch besser: bis dass der traumprinz mich auf sein ross hievt. ansonsten sollte es ausreichen, darin dekorativ herumzusitzen und die verlängerten beine elegant übereinanderzulegen.

ich habe es versucht. als teenager. ich stand auf sieben zentimetern absatz plus drei zentimeter plateausohlen in quietschegelben slingpumps. siebziger jahre. ich war fünfzehn oder sechzehn jahre alt. aber es kam kein prinz, weder mit kutsche noch zu pferd. so stieg ich wieder herab, nach ungefähr sechs wochen.

auf den hohen absätzen hatte ich keinen sicheren boden unter den füßen. ich mochte nicht auf stöckeln wackeln, nicht auf zehenspitzen balancieren müssen, bloß weil männer mich dann angeblich noch mehr sexy finden könnten. eine sehr unsichere methode, entschied ich.

seither ist für mich bei viereinhalb zentimetern absatzhöhe schluss. höher steig ich nicht hinauf. meinen knochen zuliebe. ich habe nur ein paar füße, die haben bald ein halbes jahrhundert auf dem spann, die sollen noch mindestens vier jahrzehnte halten. was meine schuhe angeht, das sind alles solche, in denen ich einen „guten auftritt“ habe. ich will vorwärts schreiten, locker schlendern können, am liebsten barfuß tanzen.

einzige ausnahme sind - mit fünfeinhalb zentimetern - meine ungenagelten flamencoschuhe. die bieten mir festen halt, die gehen auch draußen. ich trage sie seit fast zwanzig jahren. die wievielte version derzeit mit mir unterwegs ist, habe ich nicht gezählt. die liebe ich sehr. sie taugen notfalls als waffe, und ausreichend sexy sind sie auch:

mit vergnügtem grinsen erinnere ich einen meiner verliebten. es war sommer in der großen stadt, zu den flamencos trug ich das kleine schwarze leinenkleid. wir wurden stürmisch miteinander, und er raunte mir heiser ins ohr: „oh laß bloooß die schuhe an!“

ansonsten aber ist mir mit hohen absätzen, als sei meine wiegende hüfte gefesselt, das hohlkreuz wird verstärkt und schmerzt. meine knöchel werden instabil, ich habe angst abzustürzen, kann auch nicht mehr effektiv wegrennen, wenn‘s mal brenzlig wird – und tanzen kann ich damit schon gleich gar nicht: ich bin "auf" high heels nicht geerdet.

neulich abends beim fernsehen habe ich mich gefragt, ob es lena meyer-landrut wohl so ähnlich geht derzeit. meyer-landrut wird deutschland beim eurovision song contest 2010 vertreten. sie hat stefan raabs casting show gewonnen.

kann sein, ich mache mich jetzt hier unbeliebt. ich gestehe es trotzdem: ich finde lena meyer-landrut gut! ich habe ein paar der wettbewerbs-shows gesehen. ich mag es, wie sie singt. ich mochte ganz besonders ihre art, sich natürlich und ungekünstelt zu bewegen. in turnschuhen ist sie einfach so über die bühne gehüpft: lebendig. ungezwungen. ungezähmt. das fand ich sehr charmant.

seitdem sie vom publikum zur deutschen teilnehmerin für oslo gewählt wurde, trägt sie bei auftritten so dermaßen hohe absätze, dass sie nicht mehr sicher auftreten kann. sie stakst kippelig auf die bühne, bewegt sich kaum noch vom fleck. wenn sie stufen abwärts steigt, halte ich angstvoll den atem an, ob sie das wohl sturzfrei überlebt.

ein jammer – und ich frage mich: warum um alles in der welt lässt sie das mit sich machen?! ich halte sie für intelligent und modern und kann mir nicht vorstellen, dass zehn zentimeter schuhabsatz den plattenabsatz in dem maße steigern werden, dass das eine derartige verstümmelung ihres „auftritts“ rechtfertigt.

auf high heels ist sie nicht mehr sie selbst. mit dem lied, das sie in oslo singen wird, ist sie es leider auch nicht. darin singt sie, dass sie vor lauter liebe zum abhängigen satelliten wird auf einer umlaufbahn, in deren mittelpunkt der oder die geliebte steht.

okay, sie ist achtzehn. ich verzeih‘s ihr. mit den besten wünschen für oslo – und mit noch mehr guten wünschen für ihr leben, damit sie ganz ganz schnell merkt, wie gigantisch gut es sein kann, als unabhängiger sonnenstern im universum selbst zu leuchten, statt als satellit um andere zu kreisen. und dass es nicht an der höhe des schuhwerks liegt, ob eine mehr oder weniger geliebt wird.


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