wie so oft in der dunklen zeit „zwischen den jahren“ bin ich auch dieser tage wieder einmal mit „aufräumen“ beschäftigt, innerlich und äußerlich:
was bleibt im alten jahr zurück, was ist neues dazugekommen, was will noch erledigt werden, was kommt mit nach 2013?
Jahresendkitsch mit Kerzen, Gold & Glitzer |
etwas neues für mich war der psychiatrische befund im frühling: verdacht auf asperger-syndrom - einer „unheilbaren störung“ im autistischen spektrum.
nach dem gut anderthalbstündigen gespräch mit den zwei ärzten der psychiatrie an der universitätsklinik war mir damals das ergebnis zunächst mündlich mitgeteilt worden - dann war ich mit der diagnose mehr als zwei monate allein.
als der schriftliche bericht zur begründung der verdachtsdiagnose endlich eintraf, war ich ziemlich … genervt. schockiert. verunsichert. wütend. die diagnose berechtigte mich, einen schwerbehinderten-ausweis zu beantragen.
um mir das „asperger-syndrom“ bescheinigen zu können, hatte die herren doktoren ungefähr zwei drittel meiner persönlichkeit abgeschnitten und gar nicht erst berücksichtigt.
so sehr schienen sie sich darüber zu freuen, mich in ihre asperger-schublade stecken zu können, dass sie nur sahen, was sie sehen wollten - und gar nicht merkten, wie ich an allen seiten überhing und die kiste gar nicht richtig zu schließen war!
es war wie in dieser szene im märchen von aschenputtel, wo der fuß unbedingt in den viel zu kleinen schuh hinein soll - dann eben vorne und hinten abgeschnitten und passend gemacht wird. hauptsache, es sieht so aus, als ob - ohne rücksicht auf verletzungen.
meine seele war der blutende fuß, das asperger-syndrom der unpassende schuh. dennoch waren 'mannen' sich so dermaßen einig und sicher, dass ich in den monaten zwischen diagnose und bericht schon gleich mehrere anfragen erhielt, doch bitte an klinischen studien zu autismus im allgemeinen und asperger im besonderen teilzunehmen.
die beschriebenen versuchs-anordnungen erschienen mir allesamt ziemlich ungemütlich. ungeheuerlich fand ich die erwartung, dass ich so ein setting mit innen glipschiger enger badekappe auf meinem lockenkopf (damit die vielen angekabelten elektroden richtig leiten) in einem abgedunkelten engen raum lange zeit auf einen bildschirm starrend mit knopf zum drücken in der hand nicht nur irgendwie aushalten, sondern mich dabei auch noch wohlfühlen sollte. das war eine bedingung für die teilnahme! wellness geht bei mir anders.
von autisten sagt man, dass sie auf die gefühle anderer angeblich keine rücksicht nähmen. aber haben diese neurotypen-psychiater irgendeine ahnung, was sie einem da antun mit ihrer seltsamen forscherei? wo nehmen sie rücksicht auf die gefühle ihrer patientInnen, wenn sie über uns reden statt mit uns?!
immerhin hätte es für jeden forschungstermin eine fahrtkosten-erstattung gegeben und vielleicht ein paar euro extra. letztlich war mir dann meine zeit zu schade und auch die energie, die mich die teilnahme gekostet hätte.
in dem fachärztlichen bericht war 'mann' weder auf meine kreative hochbegabung mit ihren besonderheiten noch auf die multiplen traumata mit ihren folgen näher eingegangen. statt dessen war manches „autistisch umgedeutet“ worden.
fehlender blickkontakt ist zum beispiel so ein „asperger-typisches“ kriterium.
natürlich habe ich die herren angesehen. sogar durchaus freundlich, wohlwollend und aufgeschlossen. aber doch nicht ständig! es gibt nur ärgerliche missverständnisse, wenn eine frau einem fremden mann zu lange in die augen guckt. das habe ich in unzähligen situationen selbst erlebt. meine rein freundlich gemeinten blicke wurden in der vergangenheit von männern allzu oft missverstanden als flirtversuch und „interpretiert“ als einladung zu sexuellen übergriffen. also nein danke. da sind wir vorsichtig geworden, herr doktor.
jahrelang habe ich selbstbehauptungs-kurse besucht, um nicht ständig frauentypisch lächeln zu müssen. keine unterwerfungsgesten mehr, wenn eine kompetent wirken will. großes fazit aus dem arroganz-training! aber wenn ich's anwende, gelte ich als autistin?!
ganz zu schweigen von der situation, allein mit zwei mir fremden männern in einem kleinen geschlossenen raum sitzen zu müssen. der horrortrigger! das ist doch wohl klar, dass eine frau mit schlechten erfahrungen da erst einmal vorsichtig wird und nicht der überschwang in person ist. das war keine erfreuliche situation für mich, die sie mir da bereitet haben, herr doktor.
so und ähnlich konnte ich mehrere „autistisch wirkende“ merkmale erklären in einer „nachexploration“ drei monate nach dem ersten gesprächstermin. der leiter der spezialsprechstunde für das asperger-syndrom war sehr respektvoll, nahm mich ernst und sich viel zeit für dieses zweite gespräch.
was mir bleibt, ist eine „reizfilterstörung“ - der umstand, dass ich nicht dicht machen kann, wenn zu viele reize auf mich einströmen (weil ich dank meiner feinen sinne viel mehr wahrnehme als andere). das ist nicht therapierbar, genauso wenig wie intelligenz. besser, ich stelle mich darauf ein.
was mir ebenfalls bleibt, sind „autistische züge ohne krankheitswert“. kurz: ein paar schrullen, die je nach betrachterIn durchaus liebenswert sein können.
wie sagte doch meine züricher freundin dazu? „nun mach dir deswegen keinen kopf, liebe mo. jeder mensch ist doch irgendwie.“ recht hat sie.
„it's not a bug, it's a feature“ - würde die IT-fachfrau dazu sagen.
ich bin nicht behindert, sondern begabt. der hinweis auf meine autistischen züge hilft mir, besser zu verstehen, wer ich bin und warum mir manches schwerer fällt als menschen, die anders fühlen und denken. ich lerne, dies für mich zu akzeptieren und kann es dadurch auch besser nach außen kommunizieren. ich bin froh, dass ich das abklären konnte.
ich bin im vergehenden jahr psychiatern begegnet, männern, die erst recht haben wollten, dann aber doch gar nicht recht hatten und ihre diagnose revidieren konnten. da durfte ich ein vorurteil abbauen. das versöhnt mich durchaus und dafür bin ich dankbar.
nun kann es weiter hell und heiter werden.