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Sonntag, 6. Dezember 2009

das leben tanzen II

tanzen und singen sind nah beieinander, oft. das wundert jetzt niemanden. denn tanzen geht nur mit musik, und singen ist musik. der umkehrschluss aber ist nicht erlaubt, denn musik und damit auch das singen sind durchaus möglich, ohne zu tanzen. es macht mir nur nicht so viel spaß!

in vielen kulturen liegen die wurzeln des tanzes in heiligen, in rituellen handlungen. tänze waren und sind bewegte ganzkörpergebete. tanzen ist etwas ganz archaisches, es verbindet himmel und erde, ist kommunikation zwischen menschen und göttInnen.




ich denke an die thailändischen tempeltänzerinnen unter ihrem schwergoldenen kopfschmuck, mit den langen konischen kappen auf den fingerspitzen.

ich denke auch an klassischen indischen tanz, der den mythen nach älter ist als die erde selbst, denn schöpfergott shiva soll die erde im schweiße seines angesichts tanzend erschaffen haben, stück für stück!

welch ein unterschied zu den drei monotheistischen religionen, wo ein unrasierter alter mann schlecht gelaunt in seinen himmelsthronsessel pupste und die erde mal eben kommandierend aus dem ärmel schüttelte!

im alten japanischen glauben, dem shintoismus, gibt es sogar eine göttin des tanzes. neben dem tanz ist sie zuständig für lachen, für fröhlichkeit, für die morgenröte und für die fruchtbarkeit. kurz gesagt: für die wirklich wichtigen dinge im leben einer frau:

sie entzündet ein feuer, sie tanzt auf dem schallbrett: schamlos, schlotterbusig und laut lachend. ihr name ist ame-no-uzume. übersetzt bedeutet das in etwa „die wirbelnde himmelsfrau“, die ausgelassen in ihrer sinnlichkeit schwelgt. sie bricht tabus, sie schert sich einen dreck um die meinung anderer, sie ist die beste freundin bei depressionen und fachfrau für besondere maßnahmen!

ihre griechische schwester heißt baubo. genau, das ist die dicke mit dem lachen von ganz tief unten und dem untrüglichen bauchgefühl. das versöhnt mich ein bißchen mit meinem matronenspeck: womit soll eine frau denn tanzen? wie kann ich ein untrügliches bauchgefühl entwickeln, wenn ich keinen bauch habe?!

mein bauch ist schließlich meine mitte - hara. genau so, wie die gebärmutter das organ der fraulichen mitte ist – symmetrisch und nur einmal vorhanden. in japan heißt unsere mitte übrigens „kinderpalast“; das nur nebenbei.

man könnte jetzt meinen, ich tanze jeden tag, seitdem ich es für mich wieder entdeckt habe. das ist auch so. fast.

allerdings tanze ich nicht den flamenco. da bin ich in meinem kleinen möchtegerntänzerinsein-leben sehr weit entfernt davon, dass mein körper die komplizierten rhythmen und minutiösen bewegungen alleine und ohne die tragende energie einer gruppe aus sich heraus produzieren könnte.

außerdem wohne ich auf teurem teppichboden. flamenco auf socken – das funktioniert einfach nicht! ich bräuchte dafür einen umgedrehten waschbottich, wie ame-no-uzume! aber das wage ich nicht, in diesem miezhaus den vermieterleuten auf dem kopf herum zu tackern mit dem taconeo, dem genagelten absatz meiner flamencoschuhe.

im gegensatz zum klassischen ballett-tanz europas, bei dem alles in die lüfte strebt und schrecklich instabil ist, sind die alten, archaischen tänze zu ehren der göttInnen sehr erdverbunden: sie geben boden unter den füßen, sie machen frauen stark. der flamenco ist so, auch die indischen tänze.

eine ähnlich archaische, erdige tanzform, die ich erst kürzlich für mich entdeckt habe, ist der hula. aus hawaii. die silben „hu“ und „la“ bedeuten „energie“ und „sonne“. das wärmt mich, das macht glücklich! die für hawaii zuständige göttin des tanzes heißt laka. ihre weiteren ressorts sind musik und sonnenschein, liebe und fruchtbarkeit. was sonst?!

hula, das sind sanfte schwingende tanzschritte. barfuß. ganz schlicht. jede geste ist von bedeutung, jede bewegung der hände eine vokabel: die ureinwohner polynesiens kannten keine schrift. wenn sie sich geschichten erzählten, dann tanzend. das tun sie bis heute. auch, wenn sie inzwischen schreiben können.

den hula, den tanze ich derzeit täglich. fast. ich erzähle mir geschichten von meiner insel im sonnenschein, von palmen im wind und von der liebe. einfach so. für mich. das erdet mich. mein bis dato ungeliebter entenarsch erlaubt mir dabei ausladend fröhliche hüftschwünge, von denen dünne frauen nur träumen können.

nur an der stelle, wenn ich tanzend vom meer erzähle, das ich soo sehr liebe, dann kullern regelmäßig tränen. weil ich das meer soo sehr liebe – und weil ich so lange nicht dort war. soo lange nicht.


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