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Montag, 30. November 2009

das leben tanzen

ich wollte immer soo gerne tänzerin werden! oder wenigstens kunstturnerin. beides ging nicht. letzteres ging nicht, weil ich dafür zu lang bin, zu schwer - und mein schlimmes hohlkreuz dem seit kinderzeiten im wege war. „du hast einen entenarsch“ - höre ich es heute noch zischeln. im schulsport habe ich mich immer geschämt für mein körperliches unbewusstsein und dafür „schlechte“ noten bekommen.



als teenager habe ich es mit dem turnen trotzdem noch einmal versucht: trampolin springen sollte es sein, das fand ich schick! der große bruder meiner besten freundin war der star im verein und mein schwarm. ich kam nicht weit. weder bei meinem schwarm noch mit dem sport: nach ungefähr einem halben jahr hatte ich einen unfall. ich verlor mich im falschen schwung, stürzte ab, fiel auf den kopf, verschob mir einen halswirbel.

tänzerin sein, das war nicht einfacher. nicht nur das häßliche graue entenärschlein störte damals das auge der familiären betrachterInnen, wenn ich gewandet in hundert tüllige hüllen vor dem spiegel im flur mein eigener schwan war. der vater feixte und ignorierte mich geflissentlich. die mutter fand es bedenklich, dass ich so lange vor dem spiegel stand. „kind, du bist zu eitel! - haach wat biste wieder schön! - ja hammer denn schon karneval?“ die schwester triumphierte spöttisch, weil ich das missfallen der erziehungsberechtigten provoziert hatte.

mit fünfzehn dann der tanzschulalptraum, allein gelassen mit taktlosen durchschnittspickelträgern. das hatte hand und fuß, das fanden die eltern gut. trotz fortgeschrittenenkurs ist mir vom normierten standardtanz nur das walzerwogen im körper geblieben. ich lernte fürs leben: auf tanzpartner ist kein verlass, sie lassen mich sitzen.

ich vergaß das tanzen für eine weile. das balzgehopse in der disco zählte nicht als tanz, das war 'nix richtiges', auch wenn es spaß machte.

erst jahre später kam ich wieder zum tanzen. mitte der achtziger, studentin war ich in berlin – mein leben ein einziges stakkato: step – tap dance! war jetzt meine große liebe. takkaditak! i was dancing in the rain und auf den bahnsteigen der u-bahn. immer auf der suche nach dem eigenen rhythmus. ich fand ihn nicht wirklich, tanzte mich aber mit viel fleiß und großem vergnügen bis auf die bühne des quasimodo.

ich war stolz und dankte ab: die alte verletzung im nacken machte große probleme. mein schwacher lendenwirbelbereich - das hohle kreuz - in der damals sehr schlanken taille wurde fast zur sollbruchstelle.

es hat zeiten gegeben in meinem leben, da hätte ich nicht gedacht, dass ich jemals wieder in tanzschuhen stehen würde. mein körper foppt mich bisweilen und trickst mich aus.

ich trank alkohol auch gegen den schmerz. das balzgehopse in der disco zählte noch immer nicht als tanz. das war 'nix richtiges'. ich genoss es trotzdem.

in japan war ich fasziniert von den auftritten der maiko und geisha, von nô und kabuki, den fröhlichen tempelfesten mit trommeln und tanz. ich blieb still und trank sake, meine füße konnten kein japanisch.

das balzgehopse in der disco ödete mich an. nicht, weil es 'nix richtiges' war, sondern weil ich meinen körper nicht mehr spürte. ich machte trotzdem weiter, auf der suche nach 'meinem' rhythmus.

mein beruf war es schließlich, der mich wieder auf die bühne brachte. ich moderierte ein internationales tanzfestival. nur wirbelnde füße um mich herum, rhythmen aus allen welten – ich machte die ansagen und wippte sehnsüchtig im takt. jahr für jahr stand ich daneben.

im herbst 2000 wagte ich dann endlich! wieder einen eigenen tanzversuch. der flamenco hatte mich in seinen bann gezogen. die stolzen frauen mit geradem blick, die nicht immer lächeln mussten und mit den füßen fest auftreten durften – ich war hingerissen und hatte gleichzeitig angst vor mir selbst.

es hat monate gedauert, bis ich einigermaßen gelassen vor dem großen spiegel mich bewegen und mir dabei zusehen konnte. so tief saßen die alten botschaften, so tief saß auch der schmerz!

der flamenco bietet mir so viele stile, dass es zu jeder lebenssituation den passenden rhythmus gibt. die heitere alegria, den erdigen tientos, den schmerz der seguiriya, die freche rumba gitana, die verzweifelte solea ....

der flamenco ist urlaub für mein herz und kur für die seele. ein paar jahre lang habe ich regelmäßig getanzt, finde in dieser bewegung zu mir selbst und komme zur ruhe, denn die konzentration auf all die verschiedenen bewegungen und rhythmen erlaubt meinem kopf nicht, an irgend etwas anderes zu denken. wenn ich tanze, dann bin ich genau da, wo ich bin, hier und jetzt: das ist MEIN wunder!

in den letzten jahren hatte ich nur noch selten gelegenheit, den weiten rock und die genagelten schuhe zu tragen: im existenzminimum ist tanzen nicht vorgesehen.

gestern und vorgestern habe ich nach fast einem jahre pause endlich wieder einmal an einem wochenend-workshop teilnehmen können: geschenkt von einer lieben, langjährigen freundin aus berlin. mit stolz im blick und demut im herzen hat mir das so unendlich viel freude gemacht und leben geschenkt, dass ein DANKE! gar nicht ausreicht, um all das auszudrücken, was ich empfinde. weil es um sooo viel mehr geht als um ein paar schnöde euro.

ich tanze das leben!


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