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Freitag, 11. Mai 2012

momenti italiani

momenti italiani

„für die italienischen momente im leben“ hat es mal in einer werbung*** geheißen. den namen des produkts erinnere ich nicht. wahrscheinlich hat es für mich nichts mit italien zu tun oder es kommt aus sonstigen gründen nicht vor in meinem leben.

der ausdruck aber ist hängengeblieben, und ich denke oft darüber nach.

sind alle augenblicke, die ich hier in Sanremo verbringe, italienisch schon allein deswegen, weil ich mich auf italienischem hoheitsgebiet befinde? oder braucht es für das augenblicksprädikat „italienisch“ noch etwas anderes? bin ich gar so dermaßen „deutsche“, dass mir echte italienische augenblicke gar nicht möglich sind?

wenn mich jemand (meist eine amtsperson) nach der staatsangehörigkeit fragt, sage ich im allgemeinen: „mein pass ist deutscher.“ und denke mir dazu: „... aber mein herz ist erdling.“ schließlich ist es nicht mein verdienst, dass ich mich ausgerechnet innerhalb der deutschen landesgrenzen dauerhaft und ohne visum aufhalten darf. da bilde ich mir nichts drauf ein.

für den planeten aber, auf dessen oberfläche ich gast bin, fühle ich mich in gewisser weise verantwortlich: ich möchte hier keinen schaden anrichten. das ist das mindeste. zum wohlergehen der erde beitragen können, wäre mir noch lieber.

am liebsten wäre mir, so etwas wie achtsame spuren hinterlassen zu können. so dass frau terra am ende sagt: „vielen dank, dass Sie hier waren, mo jour. bitte beehren Sie uns bald wieder“ und mir freundlich die reinkarnationsfomulare in die hand drückt.

also in etwa so, wie ich das auch hier mit meiner ferienwohnung halte: ich behandle alles mit liebevollem respekt, mache nichts kaputt, lege eher noch etwas dazu und werde auf jeden fall positive energie hinterlassen, so dass die besitzer am ende sagen können: „schön, dass Sie da waren. wir werden uns jederzeit freuen, Sie wieder begrüßen zu dürfen.“

das wäre ein guter „erdlingsmoment“.

zuück zu den italienischen momenten im leben. was macht die aus?

eine gewisse leichtigkeit? sicher. dazu ganz gewiss auch ein augenzwinkerndes „sich selbst nicht zu ernst nehmen.“ ein bißchen 'dolce far niente' – im positiven sinne von „nicht nur stur und verbissen (=deutsch) vor sich hin arbeiten, sondern sich selbst auch pausen zu gönnen und diese dann (ohne schlechtes deutsches gewissen!) zu genießen.

italienische momente können für mich auch solche sein, in denen es mal laut und deutlich wird (palaver palaver porca madonna!); wenn man danach mit einem freundlichen „va fanculo“ und einem schulterzuckenden „che me ne frega“ auseinandergeht. völlig egal, wer recht hatte!

aber es scheint mehr als das zu sein. auch eine gewisse sinnlichkeit gehört für mich dazu, sowie den/die andere/n respektvoll im auge zu behalten.

vielleicht sehe ich das alles gerade viel zu romantisch, schließlich bin ich hier in ferien, ein zahlender gast und gerne gesehen. das ist ja daheim in d-land nicht so. da bin ich dann auch weniger etnspannt.

italienische momente sind auch manchmal ganz konkret:

wenn ich zum beispiel die schwere einkaufstasche trage, plötzlich eine duftwolke von jasmin um die ecke weht und sie mir plötzlich viel leichter vorkommt.

oder wenn ich abends alleine im restaurant sitze, und plötzlich kommt vom nachbartisch eine rose herübergewandert mit einem freundlichen gruß und sonst gar nichts – ohne erwartung einer gegenleistung.

italienische momente sind für mich auch im straßenverkehr, wenn die mopeds mich rechts und links gleichzeitig überholen, sich an mir vorbeischlängeln, mir andere auf meiner fahrbahn entgegenkommen – da komme ich echt an meine grenzen, weil ich den verkehr lieber 'gut geregelt' habe. aber dann geht doch immer alles gut. hauptsache flott und locker durchkommen. wen interessiert da eine doppelte durchgezogene linie?!

oder wenn ich auf dem hier geliehenen fahrrad unterwegs bin: ohne licht weder vorne noch hinten, noch nicht mal katzenaugen, ohne klingel, ohne gangschaltung, laut klappernd als wolle es gleich auseinanderfallen, von zwei bremsen funktioniert nur die eine halbwegs … ähem. von einem offiziellen fahrradverleih! aber dann ist die aussicht so zum durchatmen schön, die meeresbrise so durftig – da stört das olle fahrrad mich gar nicht mehr. täte es mich stören, wenn ich auf dem weg zur arbeit wäre? vermutlich. der weg zur arbeit gehört für gewöhnlich nicht zu den italienischen momenten eines lebens.

ist es ein italienischer moment, wenn ich nachts extra das fenster offen lasse, um das meer rauschen zu hören – aber nicht schlafen kann, weil der kühlschrank im zimmer viel zu laut ist? inzwischen stelle ich ihn nachts ab, den kühlschrank.

wie müssten situationen in meinem alltag sein, damit ich sie zu 'italienischen momenten' erklären kann? sind die zutaten eher äußerlicher art, wie guter duft, angenehme geräusche, ein paar strahlend freundlicher augen? oder ist es eher die innere einstellung, momente welcher art auch immer als italienisch empfinden zu können? hier in bella italia ist ja auch nicht immer alles eitel sonnenschein und pure postkartenidylle.

hat es mit einem verzicht auf einen gewissen teil meines effektiven perfektionismus zu tun? würde ich das wollen?

die frage scheint eher – und das ist sie nach jeder reise, ganz egal wohin: „wie kann es mir gelingen, etwas von der entspannten gelassenheit meiner freizeit in den knallhart zähneknirschenden deutschen alltag hinüberzuretten? so dass ich mehr kraft habe, mich den deutschgrauen brutalitäten zu stellen?“

leider habe ich keine antwort darauf, weil ich mir hier zwei wochen leben mit scheuklappen erlaube und alles unangenehme ausblende so gut es eben geht, um den entsetzlichen druck zu lindern, der mir sonst die luft zum atmen raubt.

eiskalte briefe vom amt auf häßlichem grauen papier im postkasten zu finden, ist eindeutig kein italienischer moment. was könnte man dagegen halten, um traumata zu lindern? ein bißchen gluckern der espressomaschine reicht mir da jedenfalls nicht.

italienische momente im leben – das ist viel mehr, als ein paar azurblaue pixel jemals zum ausdruck bringen könnten. deswegen habe ich 'heute leider kein foto' für euch.



*** 
nachtrag:
das war natürlich der herr angelo, 1993:
ohne diesen charmanten 'errn wären so ein paar körnchen gefriergetrockneten kaffees mit gezuckertem magermilchpulververschnitt niemals zu 'italienischen momenten' aufgestiegen.
'eilige madonna!



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