seit jeher bin ich eine eher vorsichtige, manchmal auch ängstliche frau. seitdem ich prekär lebe und versuche, mit meinen finanziellen mitteln, die bisweilen unterhalb des existenzminimums liegen, das maximum an mir möglichem luxus zu leben, bin ich in vielen angelegenheiten noch zurückhaltender geworden.
impatiens (fleißiges lieschen) gefüllt - farbe: porzellanrosa |
mein luxus ist immer relativ. ich entscheide oft sehr genau, wofür ich meine paar kröten ausgebe und wofür nicht. manches, was im existenzminimum nicht vorgesehen ist, leiste ich mir trotzdem. das sparen an anderer stelle ist kaum möglich. ich tue es trotzdem und verzichte bisweilen auf dinge, auf die andere niemals verzichten könnten.
eines meiner luxusgüter ist das kleine alte auto. es hat fast zwanzig jahre auf dem kilometerzähler. ein ford fiesta in black, mein 'kleines schwarzes'. es fährt immer noch zuverlässig, wenn auch nicht sehr schnell.
seit dem letzten TÜV im herbst 2010 gab es keine nennenswerten reparaturen. nur ab und zu ein neuer satz zündkabel, wenn mal wieder der marder ausgerechnet unter meiner motorhaube sich sattgefressen hatte.
das einzige, was mich seit dem letzten TÜV wirklich etwas gestört hat, war das schloss an der fahrertür: es war ausgeleiert und ließ sich mit dem schlüssel zwar zu-, aber nicht wieder aufschließen.
schloß ich das auto ab, so musste ich vor der nächsten fahrt erst umständlich die beifahrertür aufschließen, von dort ins auto hineinkrabbeln, innen auf den fahrersitz klettern und die fahrertüre von innen öffnen. das war die sichere variante.
weil ich aber nicht nur ängstlich sein kann, sondern auch so dermaßen bequem, dass es meine vorsicht bisweilen aushebelt, ließ ich das auto immer offen stehen. der gerechtigkeit halber schloß ich weder die fahrer- noch die beifahrertüre mehr ab. anderthalb jahre lang. es passierte nichts. mein harmloses landleben hat auch seine positiven seiten.
auch wenn ich mal in die stadt fuhr, ließ ich die fiesta immer offen stehen. oft auch die fenster einen spalt weit heruntergekurbelt, damit es sich nicht so aufheizte, wenn es in der sonne stand. es heizte sich zwar trotzdem auf, aber sonst passierte nichts.
hin und wieder dachte ich daran, das defekte türschloss einmal zu erneuern oder ein noch funktionierendes gebrauchtes irgendwo günstig aufzutreiben. aber vor dem aufwand des aus- und einbauens bzw. den damit verbundenen kosten schreckte ich zurück.
autowerkstätten gehören zu den orten, um die ich als prekär lebende frau lieber einen großen bogen mache. einerseits aus kostengründen. da gab es schon oft böse überraschungen. andererseits auch wegen des bisweilen vorkommenden respektlosen umgangs der werkstattmänner mit mir als kundin. auch da habe ich als frau schon böse überraschungen erlebt.
in puncto autoreparaturen fahre ich also eine bisweilen leichtsinnige vermeidungsstrategie.
was dann in diesem frühjahr mit der fiesta passierte, kündigte sich schon eine weile vorher an und war sehr lästig:
nicht mehr nur das schloss der fahrerseite funktionierte nicht mehr. auch das schloss der heckklappe für den kofferraum ging erst immer schwerer, dann nur noch manchmal und schließlich überhaupt nicht mehr auf.
der befürchtete zeitpunkt war gekommen: mit der defekten fahrertür, das konnte ich noch irgendwie dingeln. aber eine defekte kofferraumklappe – das ging gar nicht mehr! ich musste etwas unternehmen. eine reparatur musste her, wenn nicht gar zwei!
es dauerte mehrere wochen, bis ich an einem besonders mutigen tag (und auch im hinblick darauf, dass ich mit dem auto eine etwas größere reise plante) mich zum dörflichen werkstattmann meines vertrauens wagte.
der ist sehr nett und korrekt und zieht einem keinesfalls schon mit blicken das geld aus der tasche. freundlich sah er sich zunächst meinen schlüssel an. klare diagnose: „total abgenutzt.“ ob ich noch die schlüsselnummer hätte oder zumindest einen zweitschlüssel?
das fiesta habe ich vor fünf jahren gebraucht gekauft aus zweiter oder dritter hand, unterlagen gab es keine mehr dazu. aber ein ersatzschlüssel ist tatsächlich noch vorhanden. der besteht aber nur aus schlüsselbart und sonst fast nix. den kriege ich im schloss nicht gedreht und benutze ihn deswegen nicht.
der kompetente werkstattmann empfahl, erst mal den schlüssel nachmachen zu lassen und es damit zu probieren. kosten seiner diagnose und empfehlung der konkurrenz: null.
die große fordwerkstatt in freiburg ist eigentlich direkt nebenan von da, wo ich derzeit in der redaktion arbeite. ich bin schon oft daran vorbeigeradelt. ein paar tage später, in denen ich erst einmal wieder neuen werkstattkonfrontationsmut sammelte und nach einem vorsichtig mich vorbereitenden informationstelefonat fuhr ich mutig auf den ford-parkplatz stellte meine kleine alte schwarze gurke lässig zwischen den neuen gefühlt fünfmal so großen boliden ab. das sah putzig aus.
hineinmarschiert zum servicepoint. aufgabe erklärt. herr servicepoint besah sich den alten schlüssel, marschierte damit hinaus zum auto, wollte kaum glauben, dass das noch fährt und versuchte, mir vier neue schlossbolzen zu verkaufen. ich bügelte das freundlich ab mit dem hinweis darauf, dass demnächst ein neuer TÜV fällig sei – und wenn mein kleines schwarzes den bestanden habe, würde ich anschließend gegebenenfalls auch über neue schlossbolzen à 100 öre inklusive einbau das stück nachdenken. aber nicht jetzt.
er gab sich geschlagen und schlug mir einen neuen schlüssel vor, den könne die werkstatt gleich anfertigen. genau das war es, was ich im telefonat am vortag herausgefunden hatte: rohlinge vorrätig, anpassen kostet rund 13 euro.
für die wartezeit von etwa fünfzehn minuten bot herr servicepoint mir einen stuhl und einen kostenlosen kaffee an – und verschwand mit meinem schlüssel im werksbereich.
ich nahm dankend an. der kaffee war lecker.
der schlüsselschleifermeister höchstpersönlich brachte mir sein werk und ging mit mir noch einmal hinaus auf den parkplatz. alle schlösser inklusive zündschloss funktionieren mit der neuanfertigung einwandfrei. neue schlösser braucht es erst einmal nicht.
der preis: erleichternde 12euro99, inklusive mehrwertkaffee.
das einzig schwierige an der sache: jetzt muss ich mich erst einmal wieder daran gewöhnen, mein auto auch abzuschließen. oft vergesse ich es noch aus alter gewohnheit. oder ich bin ganz überrascht, wenn ich einsteigen will und die fahrertür verschlossen vorfinde.
nach anderthalben jahren ist das eine gewaltige umstellung. aber sicherer ist es doch. das ist mir gerade wichtig. ich werde euch zu gegebener zeit wissen lassen, warum.
bisweilen schmunzele ich über meine vermeidungsstrategien und darüber, wie sehr ich mir das leben doch selbst auch schwer mache mit meinen ängstlichkeiten. aber es ist, wie es ist:
für mich war es eine große heldinnentat, diese aufgabe zu lösen. für andere wäre es klickerkram, nicht mal ein zucken mit der wimper. ich aber bin froh und dankbar, dass mir das – wie so vieles andere auch – ohne alkohol gelungen ist.
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