wenn ich früher unterwegs war, dann wusste ich zwar meist die ungefähre richtung, meistens aber hatte ich keine ahnung, wo mich das konkret hinführte. erst recht nicht wusste ich morgens, wo ich abends schlafen würde. das ging gut, so lange ich viel zeit hatte und neugierig war auf alles, was das leben an fremden orten so zu bieten hat – immer nach der devise „you don‘t know a place, if you don‘t know what it looks like after midnight“.
mit den jahren sind meine urlaubszeiten kürzer geworden, ich habe vieles gesehen und kennengelernt, manches ist – egal wo – die wiederholung von etwas, das ich schon kenne (und das mir womöglich nicht besonders gut gefiel). die welt nach mitternacht interessiert mich nur noch selten, denn auch das nachtprogramm ist an vielen orten ähnlich.
außerdem brauche ich nach mitternacht meinen schlaf, weil ich den frühen morgen sehr viel schöner finde und einen frischen tag ebenso frisch begrüßen möchte. kurz: ich möchte weniger abenteuer, statt dessen mehr erholung. da habe ich eine gewisse infrastruktur zu schätzen gelernt.
als ich mich diesmal auf den weg machte, wusste ich nicht nur abfahrts- und ankunftszeiten im voraus, sondern auch, dass ich am flughafen abgeholt und ins von mir gebuchte hotel gebracht werden würde. welch ein luxus, sehr komfortabel fand ich das!
damit aber nicht genug. all inclusive – das begann erst so richtig mit einem neon(!)gelben plastikbändchen beim check-in. ein gelbes plastikbändchen! am rechten handgelenk! ich war entsetzt. obendrein nicht zu öffnen und so eng, dass ich das tag und nacht tragen muss?! ich?! forget it! nach kurzem palaver schnitt die empfangsdame das an mir bereits installierte gelbband wieder ab und gab mir ein offenes zur freien verwendung. uff!
das neue futterbändel nahm ich dann ganz locker auf links, so dass ich‘s abstreifen konnte, sobald ich mich außerhalb des hotels bewegte. mit dem ding hätte ich mich unmöglich vor die tür gewagt …
gleichzeitig mit dem bändel erhielt ich eine blasse fotokopie, auf der das komplette programm aufgeführt war. inbegriffen waren u.a. drei mahlzeiten täglich sowie snacks und getränke wann immer mir danach war. außerdem die benutzung des pools, der sonnenliegen, der auf den sonnenliegen liegenden matratzen und der zwischen den sonnenliegen stehenden sonnenschirme am pool und am strand. wie nett!
das essen war – nach kleinen anfangsschwierigkeiten – köstlich. ich habe mich drei mal täglich satt gegessen und in der einen woche trotzdem ein kilo abgenommen. das ist mediterran! am meer geht es mir immer gut.
die anfangsschwierigkeiten lagen wohl eher daran, dass am tag meiner ankunft das hotel auch erst den ersten tag wieder geöffnet hatte nach der winterpause. da brauchte es ein paar tage, bis sich alle und alles eingespielt hatte. das taten alle sehr freundlich und charmant, und ich staunte mit großen augen, wie das angebot von tag zu tag immer nur noch und noch mehr wurde.
auf jeden fall habe ich es unendlich genossen, mich an einem reichhaltigen, abwechslungsreichen büfett drei mal täglich bedienen zu dürfen. welch ein geschenk! ich musste die mahlzeiten weder planen noch einkaufen noch zubereiten noch abwaschen noch aufräumen – und ich brauchte mich nie nie nie zu fragen, ob ich mir das jetzt leisten kann oder nicht.
allein das und die langen spaziergänge am strand wären mir erholung genug gewesen.
bisweilen großes vergnügen war es mir dann aber auch, andere pauschalis zu beobachten. entweder von meiner balkonloge auf die swimmingpool-bühne herab, oder kaffee trinkend und schreibend in der lobby sitzend. ich gucke gern!
zum schwimmen und sonnenbaden war es eigentlich noch zu kühl und das hotel war längst nicht ausgebucht. trotzdem gab es gäste, die bereits vor dem frühstück sich mit handtüchern gleich mehrere der wirklich zahlreichen sonnenliegen am pool „reservierten“, die dann wiederum oft den ganzen tag über verwaist da standen. aber besetzt waren. vielleicht könnte ich mit einer „sonnenliegenversicherung“ eine lukrative marktlücke auftun?
ich war nicht am pool, weder dran noch drin – aber es hat mich sehr in den fingern gejuckt, da bisweilen das eine oder andere handtuch wandern zu lassen ....
ein paar mal baden war ich dann natürlich doch, im meer! nach mehr als zweieinhalb jahren, endlich! eine, die schon mal ostern in den berliner wannsee gestiegen ist, die lässt sich doch nicht abschrecken von wassertemperaturen unter 20 grad. es war gigantisch schön, ich liebe dieses einzigartige kribbeln auf der haut und bin sooo froh, dass das salzwasser in meinem gesicht mal nicht nur tränen waren.
seltsam fand ich die angewohnheit manch anderer gäste, quasi hamstermäßig bei allem auf vorrat zuzugreifen. dabei gab es doch von allem im überfluss. immer! woher kommt diese seltsame angst, nicht genug zu kriegen, zu kurz zu kommen?
ebenso erschreckend fand ich eine pauschale mitnahme-mentalität auch bei dingen, die gar nicht zum angebot gehörten. ich möchte gar nicht wissen, wieviel prozent der inventarschwund eines urlaubshotels pro saison beträgt.
wirklich hin und weg – und auch das all inclusive! - war ich von der freundlichkeit allüberall. es war wie ein bad in herzenswärme! souvenirverkäufer und kellner flirteten mich, es war kaum zu fassen, als ob ich noch zwanzig wäre. fast jeder von denen hätte mein sohn sein können!
die augenzwinkernden angebote für verabredungen nach dienstschluss am strand schmeichelten mir sehr und linderten meine sehnsucht nach südlicher zuwendung. gleichzeitig war ich froh, inzwischen alt und abgeklärt genug zu sein, das nicht ernst zu nehmen. also charmierte ich entzückt retour - und ließ mich auf nichts ein.
am frühen morgen vor meiner abreise erfuhr ich, dass die angestellten für die dauer der saison allesamt im hotel untergebracht sind: die männer hausen unterirdisch in gruppenräumen im keller, in stockbetten. die frauen schlafen auf verschiedene etagen verteilt in den fensterlosen „house-keeping-offices“. es gibt keine freien tage, alle arbeiten vom 1. april bis zum 30. oktober durchgehend 60 bis 80 stunden die woche. der monatsverdienst des hotelboys beträgt 600 türkische lira, umgerechnet 300 euro. er arbeitet tag und nacht und springt ein, wenn irgendwo wer fehlt. der koch erhält immerhin 1200 lira: wann er anfängt, damit das große frühstück für zwei- bis dreihundert leute ab sieben uhr früh fertig ist??? wann er ins bett kommt, wenn das dinner-buffett bis 21uhr30 geöffnet ist??? die kellner liegen mit verdienst und arbeitszeiten irgendwo dazwischen.
ich war tief beschämt.
PS.
fast vergessen: auch WLAN in der lobby war inclusive. emails haben funktioniert. aber youtube und ein paar andere seiten waren von der türkischen regierung zensiert und komplett gesperrt. diese info nur so am rande über ein land, das gerne in die EU möchte.
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