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Montag, 16. Juni 2014

Betriebsfeier II

- Teil 2 der Fortsetzungsgeschichte von Freitag dem Dreizehnten -

An einem Freitag, den Dreizehnten ist alles möglich, wie an jedem anderen Tag im Leben.
Meine bislang skurrilste Betriebsfeier erlebte ich an einem solchen, letztes Jahr im Dezember nach Sonnenuntergang.

B-Berg ohne Nebel

Die Belegschaft hatte sich abends um 19 Uhr vor der Firma versammelt, mit einem gecharterten Linienbus wurden wir eine gute halbe Stunde lang durch die neblige Dunkelheit ins Ungewisse chauffiert – um genau 150 m weiter wieder auszusteigen vor dem örtlichen Delikatessen-Dealer - über den Dienstboteneingang die enge Hintertreppe hinaufgelotst, stehen frierend und wartend im nur halb beleuchteten Vorraum und haben überhaupt keine Ahnung, was das alles soll:

Essen wir im Supermarkt?!

Die Betriebsfeier II

Man nahm uns Mäntel und Jacken ab, drückte jedem ein Glas Sekt in die Hand. Dass es Menschen gibt, die keinen Alkohol zu sich nehmen, ist im Bewusstsein der Landbevölkerung mitten im Weinanbaugebiet noch nicht so tief verankert. Trotzdem erhielt ich auf Nachfrage und nach einer angemessenen Wartezeit ein Glas Orangensaft.

Die Supermarktangestellten im Sondereinsatz servierten uns abwech­selnd Käse mit Weintrauben und Mini-Bruschette. Der Käse, den ich zunächst für schnöden Gouda hielt, entpuppte sich als köstlich: Es war ein höhlengereifter Appenzeller oder Greyerzer aus den tiefsten hohen Alpen, monateland geduldig gewendet und massiert mit handgezupftem Jahr­gangsmeersalz. Die Bruschette schmeckten einen Tick zu sehr nach Essig und einer Überdosis Knoblauch. Die Trauben waren Trauben.

Über den Käse kam ich mit der Dame vom Supermarkt-Service ins Plaudern. Sie war die Fachfrau von der Käsetheke, die alle 350 Sorten mit Vornamen und familiärem Migrations-Hintergrund persönlich kannte.

Für unser Abendessen war sie nach einer langen Tagschicht, die bereits um sieben Uhr in der Früh begonnen hatte, zusätzlich im Einsatz. Sie hoffte auf ein Ende des Abends möglichst vor Mitternacht, damit sie bis zum nächsten Arbeitsbeginn um sieben Uhr in der Früh wieder einigermaßen fit sein konnte.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Veranstaltungen, die allein aufgrund der zeitlichen und finanziellen Ausbeutung meiner Mitmenschen möglich sind, nur sehr schwer genießen kann? Tatsächlich schmeckte der Käse ein wenig schal, nachdem ich erfahren hatte, dass die Servicefrau für unser Weihnachtsvergnügen ihre wohlverdiente Nachtruhe opferte.

Wir standen, alle hungrig, und hielten uns an den Gläsern fest, während Geschäftsleitung und Chefredaktion kleine Reden hielten: Dass alles toll gelaufen sei im zu Ende gehenden Jahr, dass der Gewinn aber leider nicht ausgereicht habe, um uns alle zum Essen einzuladen und auch noch die Köche zu bezahlen.

Man habe sich entscheiden müssen zwischen Einkau­fen bei Aldi und alle bekochen lassen oder Besseres kaufen bei Edeka – wo Lebensmsittel bekanntlich geliebt werden – und selber kochen. Da sei die Wahl auf Letzteres gefallen. Man möge nun bitte vier Teams bilden: Je eines fürs Tischdecken & Deko­rieren, für Vorspeise, Hauptgang und Dessert.

Ich hielt das erst für einen Witz – aber die Geschäftsleitung meinte es ernst. Nun konnte man auch den unbeleuchteten Speisesaal hinter der halb ge­öffneten Türe erkennen: Da war alles kalt und kahl und leer. Es war schon nach Acht.

Der Chefredakteur fügte hinzu, dass es gelungen sei, die Kosten für die gemeinsame wohlverdiente Betriebsfeier noch weiter zu drücken, indem man sich bereit erklärt habe, das ganze Event auf Video zu dokumentieren und die Ergebnisse dem Supermarkt für Werbezwecke zur Verfügung zu stellen.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich es nicht sonderlich schätze, gefilmt zu werden – erst recht nicht ohne meine vorherige Einwilligung? Selbst wenn man in einem Medienbetrieb arbeitet, heißt das noch lange nicht, dass jedes Meeting auf Youtube oder sonstewo öffentlich gemacht werden darf. Ich bestehe auf mein Recht am eigenen Bild.

Ich landete im Team Numero zwo und wurde von meinen Kolleginnen getrennt: Vorspeise! Der Chef der Fischtheke, seines Namens ehemaliger 4-Sterne-Fischkoch, nahm uns – einen irritierten Trupp von sechs bis acht mir fremden Menschen – in seine chauviale Obhut und marschierte die Treppen hinunter in den Markt. Wir trotteten hinterher und landeten zwischen Bäckerei und Imbiss-Station in der Schauküche. Es war viertel nach Acht. Längst Essenszeit.

Ich konnte es einfach nicht fassen. Meinten die das wirklich ernst?! Ich ging immer noch von einer leicht misslungenen Verarsche aus und wagte zu hoffen, dass man uns allenfalls Tabletts voll fertiger Speisen in die Hände drücken und zum Servieren wieder nach oben schicken würde. Ich hatte Hunger.

Aber nix da! Wir sollten bei laufendem Supermarktbetrieb in der für alle KundInnen einsehbaren Schauküche die Vorspeise selbst zubereiten. Grinsend lief das Konsumvolk an uns vorbei und blieb gerne auch mal neugierig stehen. Wie peinlich! Es war voll. Es war laut. Nicht nur das typische Supermarktsgedudel wurmte meine Ohren. Wie unange­nehm!

Der freundliche Fischkoch war durchaus besorgt um unser Wohlergehen und hatte seinen Einsatz perfekt vorbereitet: Flugs erhielten wir alle eine dunkelblaue Küchenschürze mit Latz. Umbinden! Na gut. Das ging so gerade noch. Schließlich hatte ich zur Feier des Tages meinen schönsten Cashmere-Pulli angezogen. Den wollte ich nicht mit Fett bekleckern.

Aber dann! Auch noch eine weiße Kochmütze aus Papier. So eine ganz alberne bauschig-bauchige wie wir sie aus der Mayonnaise-Werbung kennen: „Hier kommt der Genuss!“ – nur ohne Beleuchtung. Nein. Ich verweigerte!

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Hüte und Mützen aller Art auf meinem Kopf nur schwer ertrage – mit Ausnahme meiner klassischen Zeitungsjungen-Schiebermütze an Bad-Hair-Days? Ich hatte doch nicht extra meine Locken extra kringelig frisiert, um sie mir nun in der Küche mit einem albernen Papierhut wieder plattzudrücken!

Zum Trost wurden auch gleich wieder mehrere Flaschen Sekt oder Wein geöffnet und ausgeschenkt. Für mich wurde auf meine freundliche Bitte hin ein Glas Wasser ziemlich umständlich in einer langwierigen Prozedur von ziemlich weit her geholt und mir mit etwas schrägem Blick kredenzt. Die Gedanken hinter diesem Blick konnte ich nur vermuten: „Was für eine Spaßbremse!“ oder etwas ähnlich Charmantes.

Gleichzeitig mit dem Alkohol hatten alle einen Ausdruck des Rezepts erhalten: Irgendein Fischfilet gebraten und gerollt auf-an-um Salat mit Irgendwas. In der Küchenecke sah ich Kisten voll mit mattem Feldsalat und traurigen Radieschen. Das sollten wir zuerst einmal Putzen!

Zum Glück findet sich in fast jeder Gruppe ein Frauchen, das beim Stich­wort „Putzen“ eilfertigst bei der Sache ist und auch dann noch Spaß an der Drecksarbeit hat, wenn mir schon längst der Appetit verdorben ist.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Haus- und Küchenarbeit hasse?! Ich koche für mein Leben gern. Aber alles, wobei ich meine Hände in Wasser tauchen muss, macht mir schlechte Laune.

Fisch putzen, zerlegen und braten gehört jedoch auch nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Erst recht nicht, wenn ich mit knurren­dem Magen in der Schauküche eines Supermarkts stehe.

Die ersten SalatputzerInnen waren also schon eifrig am Werk, da sah ich aus dem Augenwinkel mit einem perfide triumphierenden Greinen den Chefredakteur samt Kamerafrau nahen. Jetzt nicht auch das noch! Ich war fassungslos. Es war kurz vor halb neun. Mir war fast schlecht vor Hunger.

Cut.
Sollten wir nun nicht nur hungern vor laufender Kamera, sondern auch noch kochen? Die Geschäftsleitung hatte wohl eindeutig zu viele Koch-Shows im Privatfernsehen geguckt. Wann wird es endlich etwas zu essen geben? Wird es überhaupt etwas zu essen geben?

Fortsetzung folgt: zum dritten Teil bitte hier klicken.
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