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Januar 2021

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Mittwoch, 9. Februar 2011

no politics

schon des öfteren wurde ich gefragt, warum das büro für besondere maßnahmen sich auf private angelegenheiten beschränkt. warum ich nicht auch politische themen posten würde. ich sei doch klug und informiert und habe eine fundierte meinung.

"happy end recycling"

genau deswegen. sobald ich mich mit den politischen hintergründen beschäftige, wird mir so dermaßen kotzübel, dass ich es einfach nicht mehr ertrage. manchmal weiß ich selbst nicht, wie es mir gelingt, all das nüchtern auszuhalten ‚bei lebendigem leib‘ - ohne wieder alkohol zu trinken.

zum beispiel die hartz4 debatte: ein unsäglich verlogenes schmierentheater! es geht weder um monatlich fünf euro mehr oder weniger für bedürftige, noch geht es um zehn euro mehr oder weniger für bedürftige kinder.

es geht vor allem darum, in deutschland den bisher geschaffenen niedriglohnsektor nicht nur zu erhalten, sondern weiter auszubauen. klartext: es ist politisch gewollt, dass menschen von dem lohn für ihre arbeit nicht mehr leben können.

das ist ein prozess, der nicht erst seit vorgestern läuft. schon ende der 1980er sah es mau aus auf dem arbeitsmarkt – auch wenn es damals noch nicht so schwierig war wie heute.

es wurde nicht besser dadurch, dass die brd die ddr aufgekauft hat. zumindest nicht fürs "volk".

um die jahrtausendwende herum diskutierten wir in der redaktion den volkswirtschaftlichen schaden, der durch den ‚lügenfaktor kohl‘ entstand: „was die volksvertreter dürfen, darf das volk schon lange: schwarze kassen haben. und sich nicht daran erinnern.“

richtig in fahrt kam der abwährtstrend anfang 2005 mit der zusammenlegung von sozial- und arbeitslosenhilfe, die uns als ‚alternativlos‘ verkauft wurde: die hartz-gesetze traten in kraft. nebenbei bemerkt will es mir bis heute nicht in den kopf, wie es sein kann, dass gesetze nach rechtskräftig verurteilten verbrechern benannt werden. auch das hat negative vorbildfunktion.

was „dem volk“ nie offiziell vermittelt wurde: reine wirtschaftliche interessen waren und sind der wahre grund für den demütigenden umgang mit erwerbslosen menschen und gering-verdienerInnen. schon gemerkt?! im wort „verdienerIn“ steckt der/die „DienerIn“ - nix mit gleichberechtigung der arbeitenden bevölkerung oder gar beschäftigungsverhältnissen auf augenhöhe. wer arbeiten und dafür geld erhalten will, muss buckeln.

die wirtschaftlichen interessen hat der damalige bundeskanzler schröder in seiner rede auf dem weltwirtschaftsgipfel in davos am 28. januar 2005 klar zum ausdruck gebracht: „Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ (quellen: redenarchiv der bundesregierung; offizielles video des world economic forum/youtube bei ca. 21:00)

das ist der punkt: zum zwecke der gewinnmaximierung einiger weniger (nein, ich schreibe jetzt nicht: „geldgeiler fettsäcke“) braucht es dringend kostengünstige arbeits-sklavInnen. und zwar solche, die nicht aufmucken. dass sie nicht aufmucken, wird erreicht durch angedrohte und durchgeführte kürzungen des existenzminimums – zum beispiel bei verweigerung der arbeitsaufnahme zu sittenwidrigen niedriglöhnen.

es ist nicht davon auszugehen, dass in den sechs jahren seit schröders rede irgendeine der deutschen regierungen auch nur ansatzweise versucht hat, ihre politik nicht länger der herrschaft der wirtschaftsinteressen unterzuordnen. im gegenteil. wir sehen, dass die schere zwischen arm und reich immer weiter auseinandergeht – und lassen uns ‚von denen da oben‘ einreden, dass es leider leider ‚alternativlos‘ sei.

damit bin ich wieder bei der derzeitigen diskussion um hartzIV. die geplante erhöhung um fünf euro zeigt ganz deutlich, was die menschen der regierung und den dahinter stehenden wirtschaftsinteressen wert sind: so gut wie nichts. denn für die gewinnoptimierung braucht es niedriglöhner.

betriebe, die niedriglöhner beschäftigen, können sich darauf verlassen, dass der staat den verdienst aufs sogenannte „existenzminimum“ aufstockt. das bedeutet, dass diese betriebe ihren reibach machen auf kosten der steuerzahlerInnen, und zwar in milliardenhöhe: für 2009 ging man von mindestens vier milliarden euro aus, mit denen der staat auf diese versteckte weise die wirtschaft subventioniert hat (quelle: verdi, jan 2010). zahlen für 2010 konnte ich nicht finden, die sind sicher nicht gesunken. die wahren schmarotzer unserer gesellschaft sind also nicht die „erwerbslosen“, denen die teilnahme am erwerbsleben verweigert wird, sondern die arbeitgeber, die ihren gewinn auf kosten der steuerzahlerInnen machen.

dazu passt, dass es keinen einheitlichen mindestlohn geben ‚darf‘: nicht einmal 7,50 €/h sind die arbeiterInnen den wirtschaftsbossen wert. obwohl selbst damit bei vollzeitbeschäftigung und lebensarbeitszeit von 45 jahren ohne unterbrechung nur eine rente erreicht werden könnte, die mit einer höhe irgendwo zwischen 500 und 600 euro weit unter dem mindestbetrag der grundsicherung liegt (quelle dlf, februar 2011).

dann ist da noch die forderung ‚gleicher lohn für gleiche arbeit‘ - zumindest für leiharbeiter. es steht zur diskussion, ob der bereits nach einem oder erst nach neun monaten gezahlt werden soll. wie bitte?!

wie kann es sein, dass menschen für gleiche arbeit ungleich entlohnt werden dürfen?! ist denn das mit unserem grundgesetz vereinbar? ich halte es für zynisch und menschenverachtend, dass hier das „wie lange“ überhaupt zur debatte steht – und nicht das grundsätzliche ‚ob‘ - das sofort mit einem klaren nein beantwortet werden müsste.

wie kann es überhaupt sein, dass die lebenszeit verschiedener menschen so unterschiedlich viel wert ist, dass die einen mit ihrer arbeit nicht mal ihr eigenes existenzminimum sichern können, geschweige denn das einer ganzen familie - während andere so dermaßen viel geld kriegen, dass sie sich den arsch mit blattgold abwischen können?!

ich bin sicher, dass die erde genug hergibt für alle. es ist eine frage der verteilung. wozu braucht ein einzelner mensch mehr als er in einem einzigen leben ausgeben kann? das letzte hemd hat keine taschen.

vielleicht könnte man an dieser stelle nicht nur den leiharbeiter pay gap schließen, sondern auch endlich den gender pay gap? das wäre längst überfällig, zumal deutschland hier eine unrühmliche spitzenposition einnimmt.

aber das wird nicht gehen, wartet‘s ab: leiharbeiterInnen müssen weniger verdienen als die stammbelegschaft, weil das z.B. als argument gegen lohnerhöhungsforderungen prima genutzt werden kann: entweder du bleibst billig, oder wir müssen dir leider leider kündigen – dann kannste als leiharbeiterIn für die häfte vom alten gehalt wieder einsteigen. das wird längst praktiziert und wäre ja nix neues.

zu "guter" letzt versprühen "die damen und herren regierung" noch in altrömischer manier - teile und herrsche - nach allen seiten halbwahren informationsnebel, um auf diese weise damit die einen armen schlucker gegen die anderen armen schlucker gegen die letzten noch einigermaßen gutverdiener aufzuhetzen und gegenseitig aufeinander neidisch zu machen. blödzeitung & co. sei dank.

wer sich gegenseitig das wasser abgräbt, macht keine revolution: während das volk sich zofft, reiben merkela, ackermann & co. sich die hände. von unserer eiskalten halbadeligen bundesblondine, der arischen zuchtstute in sarrazinscher manier - ganz zu schweigen.

happy end? unwahrscheinlich.

weil all das und noch viel mehr mich so sehr aufregt, mich wütend und mir angst macht - mit heulen und zähneknirschen in folge – brauche ich all meine kraft, um nicht allzu sehr in selbstzerstörerische muster und schwere depressionen bis hin zur suizidalität abzugleiten.

genau deswegen schreibe ich nicht über politische themen.


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