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Montag, 24. Mai 2010

pfingstrosen

das ist das allerschönste im jahr! der erste echte rosenduft nach langer stockstacheliger winterpause. in diesem jahr hat die sonnenzitronengelbe rose friesia das rennen gemacht. so wie sie aussieht, so duftet sie auch: rosensonnig und leicht nach zitrone.

rose: friesia

darüber heute ein blauer himmel von fast unverschämt wolkenloser nacktheit! eigentlich sollte ich nicht traurig sein, so lange es etwas so schönes gibt.

ich bin aber doch traurig und weiß gar nicht, wo all diese tränen immer noch herkommen. seit tagen, wochen, monaten, jahren schon gibt es nicht einen einzigen tag, an dem ich nicht eine ziemlich lange zeit lang mit tränen im gesicht in irgendeiner ecke hocke und nicht weiß, wohin mit mir.

antidepressiva haben nicht geholfen. nicht pflanzliche und nicht chemische. ablenkung hilft manchmal, eine zeitlang. selbst (das ohnehin selten gewordene) reisen hilft nur noch bedingt. es ändert ja doch alles nichts, egal wie sehr ich mich auch anstrenge.

mein leben ist so eng, so ausweglos. ich hab‘s voll gegen die wand gefahren und weiß nicht, wie ich aus all dem jemals wieder rauskommen soll.

die einsamkeit ohne familie, ohne partnerschaft frisst mich auf; die finanziellen probleme rauben mir den schlaf; die verhasste arbeit lässt mir keine luft zum atmen und das leben in einem haus, in dem ich mich nicht willkommen fühle, macht mich vollends unfrei.

ich wage mich kaum aus der wohnung, wenn ich nicht unbedingt muss. selbst zu den rosenkübeln auf dem garagendach schleiche ich mich nur unter vorbehalt, weil ich der vermietersippe nicht begegnen mag.

zur arbeit fahre ich tapfer, vier mal die woche, weil ich beschlossen habe, das bis zum sommer dort durchzuhalten. auf halber stelle. ich funktioniere so gut es geht. auch wenn es mir schwer fällt, mich wie eine dienstmagd behandeln lassen zu müssen.

neulich mal sagte eine der professorinnen „ich verstehe nicht, dass MAN ihnen frei gibt, wenn hier so viel zu tun ist.“ die passende antwort „gnädige frau, ich habe einen arbeitsvertrag, der nur eine begrenzte wochenarbeitszeit vorsieht, und daran halte ich mich.“ fiel mir leider erst auf der treppe ein. ein treppenwitz eben.

dieselbe professorin hat es auch schon fertig gebracht, mir für das anfertigen von fotokopien und das senden eines faxes anerkennend den oberarm zu tätscheln. als ob ich ein pferd sei. dann wieder nennt sie am telefon nicht einmal ihren namen und rattert gleich los mit aufträgen. oder sie kommt grußlos in mein büro, knallt mir ihre sachen auf den tisch „das muss soundso“. dazu ein scheißfreundlich schleimiges grinsen von oben herab. keine widerrede!

ein professor schreibt in emails an entfernte kollegen mit cc an mich „darum kümmert sich meine sekretärin“. aha. ich bin also nicht institutsangestellte, sondern 'seine'. und ich erfahre cc, was ich zu tun habe, werde nicht einmal mehr persönlich damit beauftragt geschweige denn gefragt, ob ich das überhaupt machen kann. man(n) verfügt über mich. bin ich eine leibeigene?

sogar studierende scheinen davon auszugehen, dass hinter einer tür, auf deren schild steht „sekretärin“ alles mögliche sitzt, bloß kein mensch. sie halten sich weder an sprechzeiten noch an ein minimum an höflichkeit im zwischenmenschlichen umgang.

anklopfen funktioniert meist noch, aber ein „herein“ abwarten, das geht schon nicht mehr. erst recht nicht ein freundliches „guten morgen“. das ist wohl einfach zu viel verlangt.

ich bin die bürohure, die ständig allen für alles zur verfügung zu stehen hat. alles und jeder ist wichtiger als die arbeit, auf die ich mich eigentlich konzentrieren müsste – und die ewig lang dauert, weil ich ständig unterbrochen werde und mich dann erst mühsam wieder hineinfinden muss.

wenn ich einmal etwas nicht weiß, in diesem riesenbildungskonzern, dann wehe! „Es HAT Sie aber zu interessieren, ob ich meine Veranstaltung finde - ich zahle schließlich Studiengebühren!“ oder „Warum sind Sie hier überhaupt Sekretärin, wenn Sie noch nicht einmal Auskunft geben können?!“ sind studentische standardsprüche.

cholerische anfälle, wenn mal eine raumbuchung nicht funktioniert – ausgerechnet von dem dozenten, den ich wegen seiner penetranten rasierwasserwolke schon aus der ferne unerträglich finde.

bloß weil ich nett sein wollte, und weil ich so ein beklopptes verantwortungsgefühl habe und die kolleginnen nicht im stich lassen wollte, habe ich den vertrag verlängert bis zum ende des semesters. neun wochen noch. countdown läuft.

während andere ihre pfingsfeiertage genießen, hocke ich hier und schreibe ein ausführliches fax an das arbeitslosenamt mit der inständig demütigen bitte, bitte bitte mein ergänzendes arbeitslosengeld rechtzeitig vor dem monatsende neu zu berechnen, wo ich doch jetzt nur noch drei fünftel von dem verdiene, was vorher ohnehin zum leben nicht gereicht hat.

wieso habe ich mich eigentlich zu anfang dieses textes so sehr darüber gewundert, dass ich immer so abgrundtief traurig bin? es ist doch alles prekär wie eh und je, also her mit dem luxus! ich genieße die optisch schöne aussicht und den gelben rosenduft so gut es geht.


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