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Sonntag, 30. Mai 2010

herablassung

… ist so ein wort, dass es offiziell fast nicht gibt. nicht einmal die wikipedia hat derzeit einen artikel dazu. wörter wie ehre und respekt hingegen sind der wikipedia durchaus bekannt.

rosenblüten: louise odier

herablassung aber ist scheinbar nicht gesellschaftsfähig, igitte! - wird auch selten ganz direkt in der öffentlichkeit praktiziert: passiert nicht offen, sondern als abwertung versteckt zwischen den zeilen, im zwischenmenschlichen subtext.

ich habe lange gebraucht, um herauszufinden, dass es – nicht nur, aber auch - herablassung ist, die mir meine derzeitige arbeitsstelle so unerträglich macht.

im bewerbungsgespräch bin ich damals unter anderem gefragt worden, wie das denn für mich wäre, wo ich doch für die stelle als sekretärin eindeutig überqualifiziert sei, dann auch eher „niedere“ arbeiten verrichten zu müssen wie fotokopieren und botengänge.

meine damalige antwort war, dass ich persönlich zwischen den einzelnen arbeiten keine hierarchie sehe, egal ob ich eigene texte schreibe, fremde texte abtippe, zur post laufe oder ein fax verschicke. die aufgaben sind andere – aber nicht besser oder schlechter, nicht mehr oder weniger wert. auch ich als mensch fühle mich nicht mehr oder weniger wert, wenn ich das eine oder das andere mache (dass die lohntabellen das anders sehen, steht auf einem anderen blatt).

ich habe das auch wirklich so gemeint, damals. seitdem ich den dalai lama interviewt habe, kann ich auch holz aufsammeln im wald. da fühle ich mich nicht schlecht mit. vorausgesetzt, das team stimmt.

genau das ist der punkt an meiner aktuellen arbeitsstelle: das team stimmt nicht. es gibt einfach keines. ich bediene ein konglomerat von wissenschaftlerInnen, von denen die meisten nur ihr eigenes fortkommen im sinn haben. die sekretärinnen sind daran zwar irgendwie beteiligt, werden aber nicht wertgeschätzt als wichtig für das ergebnis der eigenen arbeit. jedeR ist seine eigene diva.

die herablassung, die mir begegnet, ist vielfältig und meist subtil. und zwar so subtil, dass sie sich von mir zunächst unerkannt in meinen arbeitsalltag festgesetzt hat. ich hatte einfach nicht damit gerechnet, dass so etwas passieren könnte. nicht in einem umfeld, in dem ich gebildete, weltoffene menschen erwartete; nicht bei der elite der nation, die die ehrenwerte aufgabe hat, lehrerInnen für ganze generationen zukünftiger kinder auszubilden; die alle abitur haben, langzeitstudiert sind mit hochdekorierten abschlüssen und eigentlich vernetzt denken können sollten.

nein, es sind nicht alle gleich, und ich will hier auch nicht alle über einen kamm scheren. ich begegne dort auch menschen, die ich inzwischen sehr sehr gerne mag. solche, die sich neben dem pädagogentum noch ein mensch-sein bewahrt haben.

beispiele für herablassende behandlung im alltag passieren mir dort viele, aber sehr subtil. ich kann das dann oft gar nicht richtig einordnen. spüre nur, dass ich mich immer schlechter, immer kleiner, immer wertloser fühle und weiß gar nicht so genau, woher das eigentlich kommt.

in der vergangenen woche bin ich dem auf die schliche gekommen. viel zu oft höre ich einen respektlosen, abwertenden und diskriminierenden unterton. unterm scheißgrinsefreundlichen deckmäntelchen: „ich prof(in) bin alles, du sekretärin bist nichts, hast keine ahnung weil du sowieso zu dumm bist und hast es deswegen auch nicht weiter gebracht im leben als bis auf diese schlecht bezahlte unqualifizierte hausfrauenstelle.“ das wird natürlich niemals offen ausgesprochen – ist aber doch immer wieder deutlich herauszuhören. herablassung eben. kastendenken.

es gibt da vor allem eine professorin, die sich gerne von vorn bis hinten bedienen lässt, die mich mit vorliebe durch die gegend kommandiert „springen sie da mal kurz rüber“, mich „mal eben schnell“ hin und her zitiert, mir zig-seitenweise unleserlich hingeschmierte bleistiftkritzeleien zum abtippen hinwirft (eine zumutung, das sagen alle ….) und immer alles sofort und unter großem zeitdruck erledigt haben will. wehe man wagt widerworte, dass möglicherweise noch tausend andere dinge vorher zu tun seien. oder dass gar keine kapazitäten mehr frei sind, weil man gerade noch zwei abwesende kolleginnen vertreten muss und 200 prozent arbeitsauslastung mit einer halben stelle einfach nicht zu schaffen sind.

ich hatte mir also erlaubt zu erwähnen, dass andere aufgaben vorrang haben, ich das gewünschte nicht am selben tag noch (zwanzig minuten vor feierabend!) abarbeiten könne und dass ich im übrigen nicht ihre privatsekretärin sein. da legte sie los und fauchte mich an, dass ich nur eine sekretärin sei wie alle anderen auch, dass ich das gefälligst alles zu erledigen hätte, weil es zu meinen ureigensten aufgaben gehöre.

als gnädige frau professorin von gottes gnaden ließ sie so ihre reaktionäre und diskriminierende gesinnung durchblicken, nicht zum ersten mal übrigens. so fassungslos war ich da, dass ich ihr ins gesicht sagte „sie behandeln mich wie eine dienstmagd. das verbitte ich mir.“

die kollegin, der ich später davon erzählte, fand mich mutig. ich fand mich eher wütend und bin es noch.

eine andere professorin, für die ich neulich in sehr langwieriger kleinarbeit viele buchseiten schön leserlich gescanned und zu pdfs gebastelt habe, beschwerte sich anschließend bei mir darüber, dass die pdf mit knapp 2MB doch viel zu groß seien. ich schluckte und gab zu, dass ich nicht wüßte, wie es kleiner ginge. tags drauf kam sie wieder in mein büro, sie habe sich nun bei ihrem mann erkundigt, der sei it-fachmann und habe ihr bestätigt, dass die pdf-dateien für den inhalt von der größe her völlig angemessen seien.

aha. unterschwellige botschaft: „du „sekretärin“ weißt gar nichts (sekretärin arbeitet erst seit 1985 mit computern, aber das interessiert professorin nicht). was du sagst und machst ist nicht der rede wert. erst wenn mein mir angetrauter „it-fachmann“ (der ist ja auch ein mann!) dasselbe macht und bestätigt, ist es in ordnung.“

soweit zur herablassung und zu meinem fazit: wenn ich meine arbeit (und damit mich) als so abgewertet wahrgenommen und gespiegelt kriege, dann kann ich meinem persönlichen anspruch, alle aufgaben als „nicht hierarchisch“ anzusehen, nur schwer gerecht werden. dazu habe ich nicht genug kraft im herzen. ich brauche die unterstützung der anderen, die das ähnlich sehen wie ich.

„hüte dich vor einem entschluss, zu dem du nicht lächeln kannst.“

das mache ich beim nächsten mal besser: als ich den vertrag verlängerte, habe ich geseufzt, die zähne zusammengebissen und die stirn gerunzelt. jetzt habe ich noch acht wochen giftgrün-deutschgraues-pädagogen-paralleluniversum vor mir. countdown läuft, und auch ich konzentriere mich nur noch auf mein eigenes "fortkommen".


ps.
der duft von louise odier hilft mir gerade, so manches rosiger zu sehen


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