es ist januar. im tal hängt ein undurchsichtig grauer himmel, aus dem es nasses, gefrorenes zeugs auf die kalte erde schmeißt. seit wochen schon.
der job ist gekündigt, das konto leer, neue aufträge sind nicht absehbar.
„zuversicht“ heißt das zauberwort der stunde. ach, was sage ich?! des tags! der woche! des monats! des jahres! meines ganzen lebens gar!
die ersten tulpen 2013 - porzellanrosa geflammt |
ohne zuversicht geht nichts. an tagen wie diesen, wenn alles grau in grau versinkt, wenn es nicht hell werden will, weder draußen noch in meinem herzen - dann ist ihr allerdings nur schwer beizukommen.
zuversicht, was ist das eigentlich?
„optimismus“, sagen die einen - „glauben an das gute“, sagen die anderen. es könnte aber auch ein gefühl sein. oder eine lebenseinstellung. ein flüchtiger gedanke oder eine charaktereigenschaft: „vertrauen in den eigenen weg“ - so würde ich es wohl selbst umschreiben. aber ist das nun ein knubbel im kopf? oder eher eine windung im darmhirn?
mag sein es ist - wie eine gute freundin es einmal formuliert hat: „die fähigkeit, positiv zu denken angesichts schwieriger lebensumstände“
ja, das trifft es wohl. aber was tun, wenn schon wieder etwas schief geht, das mit so viel erwartungsvoller energie gestartet wurde? was tun, wenn die kraft nicht ausreicht, um den widrigen lebensumständen die stirn zu bieten?
„man muss an so vielen fronten stark sein“ - sagte eine kollegin, als wir beim mittagessen in der verlags-kantine über die verschiedenen lebensaufgaben sprachen. und sie, die sonst immer alle herausfordernd anblitzt, senkte resigniert den blick.
"so viele fronten", sagte sie. nicht nur ein einzelner kampf, zu dem sie herausgefordert ist. für solche fälle gibt es das wort „zuversicht“ auch im plural. „zuversichten“ heißt es dann. so kann man für jede einzelne front eine eigene zuversicht haben, dass man den kampf gewinnt - oder zumindest locker und lebendig durchkommt.
wieviele zuversichten braucht der mensch? und wieviele hat er? werden sie uns in die wiege gelegt? kriegt jedeR gleich viel? sind unsere zuversichten irgendwann alle aufgebraucht? woher kriegen wir dann neue? basteln wir zuversichtlich welche selbst? werden zuversichten in fabriken hergestellt, und wir müssen sie dann kaufen? oder werden zuversichten gezüchtet und vermehrt, geerntet oder geschlachtet und auf dem wochenmarkt angeboten? kriegen wir sie vielleicht geschenkt? oder gilt „wenn weg, dann weg“ - wie bei besonders günstigen und nur begrenzt vorrätigen sonderangeboten? müssen wir gut auf sie aufpassen? etwa in den kühlschrank legen, damit sie länger halten? oder in einen blumentopf pflanzen, damit sie gut gedeihen?
wenn es zuversichten im plural gibt, sind die dann alle gleich? oder gibt es für jede lebenslage eine andere zuversicht, große und kleine, dicke und dünne, rote und gläserne und eckige und heiße? woher weiß ich, welche art von zuversicht für meine aktuelle lebenssituation die jeweils bestmögliche ist?
und falls ich die benötigte art von zuversicht gerade nicht vorrätig habe, woher kriege ich die dann? kann man sie überhaupt vorrätig haben? oder nimmt man lieber eine frische?
wenn das alles so kompliziert ist mit den zuversichten, wäre es dann nicht besser, gleich auf sie zu verzichten? ökologischer? nachhaltiger? wohin wird eigentlich eine nicht mehr benötigte bereits benutzte zuversicht entsorgt? kann eine qualitativ hochwertige zuversicht sich nach gebrauch in ihr gegenteil verkehren und irgendwo-irgendwann-irgendeinen schaden anrichten? brauchen wir ein produktmanagement und eine DIN-zertifizierung?
man ist ja lieber vorsichtig mit solch ungreifbaren begriffen ...
und doch … irgendwo höre ich es leise flüstern. ich verstehe jedes wort, auch wenn ich es nicht immer glauben kann. aber ich bin ganz sicher: die zunge meiner rheinländischen kindheit lügt nicht.
artikel 3 des kölschen grundgesetzes lautet:
„et hät noch emmer joot jejange“
(es ist bisher noch immer gut gegangen)
und das ist für mich der inbegriff aller zuversicht - ganz egal, ob in der luxus- oder in der alltagsversion!