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Mittwoch, 27. Juli 2011

sparsam II

besondere maßnahme no. XXIII

ich schäme mich. ich schäme mich so sehr, dass ich diesen text bereits seit zwei wochen vor mir herschiebe. dabei ist er mit verdammt wichtig!


schon schlimm genug, dass eine nicht arbeiten darf bzw. für ihre arbeit nicht angemessen honoriert wird, ihren lebensunterhalt nicht mehr selbständig bestreiten kann, sich irgendwann in hartzIV wiederfindet und von der politischen und medialen öffentlichkeit als sozialschmarotzerin aus der bildungsfernsten schicht bezeichnet wird.

da ich ohnehin nur noch bodensatz der gesellschaft bin, kann ruhig noch einer drauftreten:

nun bin ich auch noch kreditunwürdig!

meine anleihen haben nicht einmal mehr schrottstatus, sind allerunterster ramsch! meine sparbank will mit mir keine geschäfte mehr machen.

das kündigte sich ja bereits anfang des jahres an, als die erbsenzählerische dorfsparbankfilialleiterin mir am telefon einen moralischen vortrag hielt über sinn und zweck von dispokrediten.

vergangene woche gab es die fortsetzung, als an einem sonnigen nachmitag zur besten mittagspausenzeit um halb drei mein telefon klingelte.

es begrüßte mich überschwenglichst oberfreundlich die mir persönlich bekannte und bislang nicht unsympathische schalterangestellte meiner dorfbankfiliale: sie wollte mir gratulieren.

erst war ich etwas verdutzt: gratulieren?! ich konnte mich nicht erinnern, an einem preisausschreiben teilgenommen zu haben.

sie gratulierte mir aber nicht zu irgendeinem hauptgewinn, sondern dazu, dass ich innerhalb eines halben jahres meinen dispokredit bzw. dessen inanspruchnahme um mehr als die hälfte gesenkt hatte. „ich bin richtig stolz auf Sie - und Sie können das auch sein, das ist in der heutigen zeit eine starke leistung!“

so sprach sie von oben herab, als ob ich ein schulmädchen sei, das am weltspartag mit einem vollen sparschwein und stolzem breitwandgrinsen vor ihrem schalter steht.

wie demütigend! ich kenne meine finanzen! ich bin zwar oft am limit, aber dafür zahle ich gebühren - und zwar nicht zu knapp! es ist ja nicht so, dass die sparbank mir irgendwelche almosen gäbe, ganz im gegenteil. meine zinsen zahlen der frau schalterangestellten nicht nur das gehalt, sondern auch ihr schickes geheiztes büro samt altersvorsorge.

sogleich änderte sie den ton und druckste herum: „Sie kriegen ja arbeitslosengeld zwei ....“ richtig. und zwar regelmäßig jeden monat in angemessener höhe. ich bejahte also diese seltsame banker-rhetorik. jeder anderen mit einem ähnlichen einkommen würde sie einen dreifach dimensionierten disporahmen anbiedern.

madame sparbank druckste weiter. ob wir denn jetzt das dispolimit mal allmählich senken könnten?

ich verneinte. wozu? schließlich ist es ihr business, anderen leuten geld zu leihen. an mir verdient sie nicht schlecht: ihre zinsen sind nicht von pappe und haben sich gewaschen. außerdem sieht sie doch, dass ich in der lage bin, meine schulden auch zügig wieder abzuzahlen. dazu hatte sie mir ja eben erst gratuliert!

trotzdem wollte sie mit der sprache nicht so recht heraus. also sagte ich ihr klar aber freundlich meine meinung und dass ich mit meinem dispo in der bisherigen höhe sehr zufrieden sei.

dass ich seit fast zehn jahren ihre kundin bin mit ebendiesem dispo, beeindruckte sie nicht: „damals waren wohl die regeln noch nicht so streng.“ welche regeln, wollte sie mir nicht sagen. ich nehme an, dass der unterschied darin liegt, dass man ein beliebiges einkommen pfänden kann, arbeitslosengeld2 aber nicht.

ich erzählte ihr von dem neujahrstelefonat mit ihrer vorgesetzten, dass das ja wohl alles andere als professionell gelaufen war. nebenbei: ich fand das überhaupt nicht gut, dass auch sie mich nun am telefon überfiel, um so heikle dinge wie meinen dispokredit zu besprechen.

frau sparbank: „ja, ich sehe Sie ja gar nicht mehr in der filiale!“ - wozu? ich habe ein onlinekonto, da brauche ich den schalter nicht. „außerdem, so am telefon, da hört doch wenigstens keiner mit. oder wäre es Ihnen lieber, wir besprechen das am schalter, wo alle zuhören können?“

wie bitte?! gibt es kein bankgeheimnis?! habt ihr keinen besprechungsraum?! könnt ihr keinen termin vereinbaren?! ich war nicht mehr nur genervt, sondern wurde allmählich grantig.

ich erzählte ihr weiter, dass ich nach der für mich sehr negativen erfahrung mit der filialleiterin anfang des jahres beschlossen hatte, meinen dispo abzuzahlen und dann zu einer anderen bank zu wechseln. das beeindruckte sie nicht:

„ja so ist das nun aber nicht gemeint, dass wir sie als kundin nicht mehr wollen.“ - aha. und?! „aber den dispo müsste „man“ jetzt trotzdem mal allmahlich senken.“ sie versuchte also weiter, mir eine streichung meines dispos unterzujubeln – aber ich wollte nicht. nicht freiwillig.

frau sparbank redete immer noch keinen klartext. also fragte ich sie auf den kopf zu:

„habe ich das richtig herausgehört, dass sie anweisung haben von ihren vorgesetzten, mir den dispo zu kappen und dass sie hier telefonisch mit mir ein erfolgserlebnis brauchen, weil sie sonst selbst großen ärger kriegen?!“

es kam zwar kein klares ja, aber sie druckste weiter und widersprach mir nicht. ich war inzwischen nicht nur sehr gedemütigt, sondern auch sehr wütend – denn ich kann schleimige halbwahrheiten nicht ausstehen:

da hatte also die fiese dorfsparbankfilialleiterin ihre nette angestellte vorgeschickt mit dem auftrag, mir druck zu machen. ich tat ihr den gefallen nicht, damit freudig und demütig dankend einverstanden zu sein. ich weiß, dass sie weiß, dass eine sofortige kündigung meines dispos zwecklos ist, weil sie mein alg2 nicht pfänden darf.

aber ich ließ mich schließlich darauf ein. wir vereinbarten eine senkung des disporahmens um dreißig prozent. ihr zuliebe. damit sie nicht meinetwegen ärger kriegt. das sagte ich ihr genau so.

um mal tacheles zu reden: es geht um 1400 euro disporahmen. derzeit stehe ich da noch mit 600 in den miesen. also echte peanuts! aber für mich sind die wichtig. wer wenig geld hat, kommt schneller mal in die bredouille, wenn es überschneidungen gibt.

nun gut. es ist wie es ist. ich werde dieser 'besonderen behandlung' nicht nur mit einer, sondern gleich mit zwei besonderen maßnahmen begegnen:

nach einer anderen bank habe ich mich schon umgesehen: ich mache mit bei der aktion krötenwanderung von attac. das wurde sowieso höchste zeit.

da werde ich zwar zunächst keinen dispo kriegen, den muss ich erst auslösen. aber egal. dafür darf dann eine ethisch-grüne bank mit meinen kleinen pfunden wuchern.

gleichzeitig habe ich mich beteiligt am aktuellen aufruf der stiftung warentest: der Bundesverband der Verbraucherzentralen sucht menschen für eine musterklage gegen überhöhte dispozinsen. meine sparbank steht da auf der liste. und ich bin der meinung, dass ich in den letzten jahren eindeutig zu viele zinsen bezahlt habe. die verbraucherzentrale sieht das genau so.


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