vor ein paar wochen ist es mir gelungen, eine neue beschäftigung an land zu ziehen. nein, keine feste stelle. bezahlte arbeit, die die menschen auch angemessen ernährt, scheint es immer weniger zu geben – erst recht nicht für sogenannte langzeitarbeitslose.
Gutedel im Markgräflerland |
immerhin: ich habe ein neues ehrenamt ergattert und nehme nun teil am bürgerschaftlichen engagement mit aufwandsentschädigung.
das ist ... äähm .... toll!
mehrmals in der woche sitze ich in einem netten kleinen lieferwagen und fahre durch die kleinen dörfer in meinem derzeit besonders schönen rebenherbstland, bringe heiße mittagsmahlzeiten hin zu alten oder behinderten menschen, die nicht selbst kochen können. „essen auf rädern“ heißt das.
das gefällt mir: ich komme vor die tür, begegne menschen, bin in bewegung.
dafür erhalte ich siebeneinhalb euro die stunde aufwandsentschädigung (auch 'übungsleiterpauschale' genannt), steuerfrei bis zu einem gesamtbetrag von 2100 euro im jahr. da die organisatoren einer christlichen glaubensgemeinschaft angehören, bin ich nun sogar caritativ unterwegs im namen des herrn.
siebeneinhalb euro die stunde sind ziemlich viel gotteslohn. dafür spart der herr sich aber auch einen arbeitsvertrag: ich kriege zwar einen dienstplan, aber weder kranken- noch sozialversicherung noch urlaub. auch rentenanwartschaften erwerbe ich nicht.
so kommt der herr auch nicht in konflikt mit den gewerkschaften.
andere träger - wie zum beispiel die AWO - machen aus dieser art von arbeit zum gleichen stundenlohn einen korrekten 400-euro-job - und zahlen pauschale steuern und sozialversicherung von sich aus drauf. das weiß ich aus zuverlässiger quelle (winkewinke & danke!). aber der christengott ist caritativ, also habe ich es auch zu sein. wozu brauche ich lohnfortzahlung im krankheitsfall oder mal urlaub oder später rente? ich habe doch plenty hartz IV!
das beste: obwohl ich hartz IV habe, darf ich meine kleine aufwandsentschädigung behalten, bis zu einem betrag von 175 euro im monat. yeah! das ist der vorteil zum 400-euro-job. da wären maximal 160 euro selbstbehalt möglich.
also bin ich unendlich dankbar und nehme, was ich kriegen kann. ich bin alt und brauche das geld.
dass ich da überhaupt mitmachen darf, habe ich nur dem ehemaligen doktor herrn von und zu guttenberg zu verdanken: schließlich hat der den zivildienst abgeschafft. nun gibt es seit juli 2011 keine neuen zivis mehr.
billige mittagessenlieferanten und andere soziale bzw. zivile dienstleister werden händeringend gesucht. und zwar so dermaßen dringend, dass ich bei der 'informationsveranstaltung' (nicht: "einstellungsgespräch"!) weder nach dem führerschein noch nach meiner konfession gefragt wurde. aummm.
mit siebeneinhalb euro gehöre ich da direkt zu den besserverdienenden:
einige meiner kollegInnen sind 1-euro-jobberInnen. hartz IV plus maximal 160 euro monatlich zuverdienst für eine halbe stelle.
oder praktikantInnen: ein halbes oder ganzes jahr lang vollzeit für ein taschengeld von 200 euro monatlich. diese art von ausbeutung wird noch nicht einmal als freiwilliges soziales jahr anerkannt.
dann gibt es noch die engagierten aus dem bundesfreiwilligendienst. genau, das sind die mit der öbszönen, abwertenden abkürzung: bufdi.
wenn ich den hässlichen ausdruck 'bufdi' schon höre, kriege ich die krätze. welch eine unverschämt: schließlich sind das menschen, die hier ihre kostbare lebenszeit, ihre unwiederbringbare freizeit einfach so herschenken. für eine "taschengeld" genannte vergütung, die weit unter dem liegt, was ihre zeit und arbeit wert sind - und sogar noch weniger ist als das, was bis vor kurzem die zivis erhalten haben. hätte man für die keinen respektvolleren namen finden können?!
wer sich diese unerträgliche abkürzung ausgedacht hat, gehört lebenslänglich selbst so genannt. mindestens.
auch die bufdis erhalten nur ein taschengeld, von dem sie niemals existieren könnten: die ausbeutung funktioniert aufgrund der tatsache, dass es sich hierbei meist um noch junge menschen handelt, deren eltern ihnen netterweise weiterhin kost und logis spendieren. auf diese weise subventionieren steuerzahlende eltern die gemeinnützigen einrichtungen.
will sagen: dass der gebrechliche 'herr von und zu kunde' für 5,90 euro sein heißes mittagessen kriegt inklusive bringdienst und servieren und fleisch kleinschneiden - das hat er nicht nur der jungen frau bufdi zu verdanken, die ihre freizeit opfert, sondern auch den spendablen eltern der jungen frau bufdi, die ihr mit kost und logis und kleidung ein leben im hotel mama finanzieren – anstatt von ihr zu erwarten, dass sie eigenes geld verdient.
also, wie gesagt, ich habe es gut. besser siebeneinhalb euro die stunde als nix. im auftrag des herrn.
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