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Mittwoch, 18. Juni 2014

Betriebsfeier III

- Teil 3 der Fortsetzungsgeschichte von Freitag dem Dreizehnten -

Die Betriebsfeier, von der ich bereits in Teil 1 und Teil 2 berichtete, hatte sich vom vorfreudig erwarteten "Lecker-miteinander-essen-gehen" zum Do-it-yourself-Event entwickelt.

Was einem vor Weihnachten blüht (Amaryllis)

Im Bus verschaukelt durch den Nebel, im Supermarkt das Drei-Gänge-Menü selbst kochen und plötzlich kommt auch noch der Chefredakteur samt Kameraufrau aufmarschiert, um alles auf Video zu dokumentieren ...

Die Betriebsfeier III

Schnell entschlossen wie selten in meinem Leben legte ich die professionelle Küchenschürze auf den Edelstahltresen und flüchtete Rich­tung Kundentoiletten, um erst einmal in Ruhe ein paar Augenblicke lang darüber nachzudenken, was eine angemessene Reaktion in dieser grotesken Lage sein könnte.

Einerseits war ich energetisch ob der mir fremden und unangenehmen Situation total überfordert, andererseits war ich hungrig und unterzuckert, drittens war ich entsetzt und schockiert. So hatte ich mir eine Weih­nachtsfeier nun wirklich nicht vorgestellt. Es war kurz vor halb neun. Das gemeinsame Abendes­sen war noch lange nicht in Sicht!

Obendrein hatte ich auf der Menükarte entdeckt, dass für mindestens zwei der drei Gänge Alkoholhaltiges auf der Zutatenliste stand. Das war unter Umständen lebensgefährlich für mich. Ich hatte mich bei den KollegInnen noch nicht geoutet. Sollte ich um die alkoholisierten Bestandteile herum Slalom essen? Würde man mir eine Extrawurst braten? Oder dürfte ich mir auch die selbst zubereiten in der Schauküche, allein - dafür aber vor Publikum und festgehalten von der Kamera? Eine Schreckensphantasie, wo doch schon die Realität gerade so unerfreulich war.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich bereits vor vielen Jahren beschlossen habe, in meiner Freizeit nichts mehr zu tun, dass mir keine Freude bereitet?

Erleichtert erinnerte ich mich an meine eigene Faustregel für gesellschaft­liche Verpflichtungen, auf denen ich aus irgendwelchen Gründen mein Gesicht zeigen und ein Minimum an Zeit anwesend zu sein habe: Eine Stunde lang muss ich mindestens aushalten. Nach spätestens anderthalb Stunden aber darf ich den Schauplatz des Grauens ohne schlechtes Gewissen verlassen!

Die Zeit war um. Ich zog den Cashmere-Pulli glatt, rückte die Perlenkette zurecht und marschierte die Treppen hinauf in den mittlerweile erleuch­teten Speisesaal. Kahl, kalt und leer war er immer noch. Zur Verstärkung der deutschen Ungemütlichkeit dudelten sogenannte Weihnachtslieder aus den Lautsprechern.

Ich fand eine Kollegin, die mit Stapeln von Servietten bewaffnet leicht unschlüssig zwischen wenig einladenden Tischreihen stand, teilte ihr kurz und knapp mit, dass es mir wirklich leid tue, aber diese Art von Veranstaltung mit Schau­kochen und unerlaubten Videoaufnahmen sei wirklich nichts für mich. Dann suchte ich meinen Mantel aus den Garderobenschränken und rannte. Ja, ich rannte! Die Treppe hinunter so schnell ich nur konnte, dann raus durch die Glastüre. Erleichtertes Aufatmen.

Mein Auto war zum Glück ganz in der Nähe geparkt und trotz anhalten­den Nebels schnell zu finden – wir waren ja mit dem Bus wieder am Aus­gangspunkt gelandet.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich das ziellose Umherkutschiertwerden von Menschengruppen mit aufgeheizten Dieselbussen durch neblige Landschaften in der Dunkelheit für einen ziemlich sinnfreien Zeitfresser und eine grandiose Energieverschwendung halte?

Bevor ich mich auf den Heimweg machte, erstand ich noch schnell im benachbarten Supermarkt der Konkurrenz ein großes Steak, und dann ging alles ganz flott:

Ab nach Hause, das Steak in die Pfanne, ZwiebelnPfefferSalzSenf dazu – mein leckeres Abendessen war fertig um 21 Uhr 15. Damit war ich noch eine dreiviertel Stunde schneller als meine KollegInnen bei der Betriebsfeier, die - wie ich ein paar Tage später erfuhr – um 22 Uhr noch immer auf die Vorspei­se warteten.

Aber da war ich bereits satt und hatte schon fast das Nachthemd an. Auf diese Weise kam mein Freitag der Dreizehnte dann doch noch ganz friedlich zu einem gemütlichen Ende.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich nicht sonderlich abergläubisch bin und vor Freitagen, die auf einen Dreizehnten fallen, fast gar keine Angst habe? Donnerstag der Zwölfte kann viel schlimmer sein!

Lecker sei's gewesen und es habe Spaß gemacht, zuzusehen und einmal mitzuerleben, wie ein Abendessen für eine so große Gruppe entsteht. Oha! Meine Chefin war tapfer, als wir uns ein paar Tage später wieder begegneten. Sie hatte aber durchaus Verständnis dafür, dass ich auf halber Strecke quasi von der Truppe desertiert war.

Zur Ehrenrettung des Betriebs möchte ich noch anmerken, dass meine Flucht nie wieder erwähnt wurde und auch kein k.o.-Kriterium für eine weitere Beschäftigung darstellte. Meinen Mini-Job dort habe ich trotzdem noch. Inzwischen gab es sogar eine kleine Gehaltserhöhung.

In Zukunft werde ich bei Betriebsfeiern doch lieber wieder vorsichtiger sein mit einer Zusage. Ich werde da manchmal schnell zur Außenseiterin, weil ich es ohne Alkohol nur schwer aushalte, hungrig und mit weißer Papiermütze auf dem Kopf in Supermarktküchen Salat zu waschen, während konsumgeile Menschenmengen mich begaffen, Jinglebells dröhnen und nebenbei der Chef mit seiner Kamera draufhält. Aber das erwähnte ich ja bereits.

Ihr seht also:

Im Grunde ist nix passiert, obwohl diese Geschichte sich an einem Freitag, den Dreizehnten zutrug. Keine wurde krank, niemand ist verhungert und alle sind - meines Wissens - bis heute gesund und munter.

Früher, als ich noch Alkohol trank, hätte ich diesen Abend wahrscheinlich auch ganz lustig gefunden. Den Hunger hätte ich mit Sekt besänftigt und alle Unwohl-Gefühle in Wein ertränkt. Nur um dazuzugehören, um nicht aufzufallen, damit die anderen mich gern haben. 

Mich mögen, das tun sie mittlerweile trotzdem, auch wenn ich für mein eigenes Wohlergehen sorge so gut wie möglich. Nicht nur an Freitagen, und nicht nur an Dreizehnten.

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