Achtung. Achtung. Achtung.
Wir sind umgezogen!

Januar 2021

Das Büro für besondere Maßnahmen ist ab sofort erreichbar auf mojour.de

Nach und nach werden alte Beiträge – ggf. aktualisiert und überarbeitet – dorthin umziehen. Bitte folgen ... :-)

Freitag, 30. August 2013

innenspiegel

jeden tag aufs neue nehme ich mir vor: „aber heute schreibe ich endlich etwas in mein blog.“ und dann schaffe ich es doch wieder nicht.

Spiegellichter

nicht, weil mir die zeit dazu fehlte. nicht, weil mir die themen ausgingen. nicht, weil ich nichts mehr zu sagen hätte. ganz im gegenteil: das, was ich sagen will, ist zu viel. ich drohe daran zu ersticken und weiß nicht, wo ich anfangen soll.

es ist so schrecklich viel und so schrecklich schmerzhaft, dass ich es einfach nicht aufschreiben kann. weil mein eigenes leben mich so dermaßen triggert und fertig macht, dass ich über der tastatur heule und spucke, bis die platine geflutet ist.

angst, verzweiflung, hass und wut lösen sich ab, wohnen ganz nah beieinander. ich weiß keinen ausweg.

viel zu viel.
aber wenigstens mal ein zwischenstand:

die vom jobcenter angekündigte sanktion von neulich habe ich abwenden können. panik und schrecken bleiben. weil diese behörde mit ihren demütigungen und schikanen am längeren hebel sitzt. ich kann es mir nicht leisten, einfach mal eben für ein paar monate auf das existenz-minimum zu verzichten.

die neue arbeitsvermittlerin, frau Nicola, findet ihre art und weise, mir gleich mal eine sanktion anzudrohen, bevor wir uns auch nur guten tag gesagt haben, ganz normal. ich sei die erste, die sich darüber beschwert. weder konnte sie nachweisen, dass sie die erste einladung, die sie mir angeblich geschickt hat, auch ausgedruckt hat („das passiert irgendwo zentral und wird dann gleich verschickt“), noch dass der brief abgeschickt wurde („das wäre doch viel zu teuer, alles mit einschreiben zu verschicken“). erst recht nicht konnte sie beweisen, dass ich die von ihr „einladung“ genannte zwangsvorladung tatsächlich erhalten habe. damit war die sanktion zwar vom tisch. aber der schrecken bleibt und sitzt tief. die kundInnen werden bedroht, schikaniert und in verzweiflung gestürzt, um im zweifelsfall ein paarunddreißig euro zu sparen. wie viel brutalität, sadismus, bosheit und hinterhältigkeit braucht ein mensch, um so etwas tun zu können?

frau Nicola entpuppte sich zudem als manipulative, eiskalte und knallharte amtsperson. sie hörte mir nicht zu, ließ keinerlei argumente gelten. die eingliederungsvereinbarung, die sie mir aufzwängte, enthält nur pflichten für mich, mehr als jemals zuvor. von seiten des jobcenters passiert jetzt gar nichts mehr. sie informierte mich nicht einmal, dass ich nun im besonders strengen und repressiven „programm 50 plus“ gelandet bin. das erfuhr ich eher zufällig, als ich die EV später in der beratungsstelle meines vertrauens checken ließ. die EV ist brutal, aber rechtens.

die chance, im jobcenter im markgräflerland auf eine menschliche arbeitsvermittlerin wie die in hamburg lebende Inge Hannemann zu treffen, ist eher gering. hier im südwesten bei den katholischen spießern wird schikaniert, was nur geht.

frau Nicola zwingt mich, völlig sinnlose bewerbungen zu schreiben auf stellen, wo ich niemals dauerhaft arbeiten könnte. bloß damit frau Nicola ihre statistik abhaken kann. nur, dass unter druck bei mir nichts geht. under PRESSure werde ich dePRESSiv. das raubt mir alle kraft für sinnvolles, für eigenes, stimmiges, für kreatives. der druck, den sie ausübt, macht mich krank. ich kann mich nicht dagegen wehren, bin gnadenlos überfordert und stürze kopfüber in die selbstverletzung.

ich reagiere mit depressionen, schlaflosigkeit, zähneknirschen (schon wieder die beißschiene kaputt; vorgestern eine krone vom zahn gebissen), panik, tinnitus, kopfschmerzen. ich kratze mir die haut am kopf, im gesicht, am ganzen körper blutig, ballere mit den fäusten gegen meinen schädel bis es knirscht: „Kind, schlag dir das aus dem Kopf! Du wirst niemals die sein dürfen die du bist!“ - höre ich die böse mutter keifen. die schmerzlindernde rotweinflasche vor meinem inneren auge nimmt gigantische ausmaße an und rückt in meiner phantasie bedrohlich nahe.

wenn ich mit dem auto unterwegs bin, schaue ich mir in den rebhängen ganz genau an, in welcher kurve ich einfach nur stur geradeaus fahren müsste, um den absturz garantiert nicht zu überleben.

neulich nachts visionierte mir sehr plastisch, dass es mir gelungen war, ein wirklich schmerzlos tödliches gift zu finden. ich spritzte es erst der katze und dann mir. danach bin ich sehr friedlich eingeschlafen, die katze in meinen armen.

im traum war ich unendlich erleichtert. umso schlimmer war das erwachen: ich bin immer noch auf dem falschen planeten. erwerbslos. einsam. arm. nichts ist gut. gar nichts.

das resultat ist - mal wieder - eine erschöpfungsdepression, vorstufe von burnout. inzwischen auch fachärztlich attestiert. ich bin krank, falle für wochen aus. durch frau Nicolas druck finde ich erst recht keine arbeit, sondern werde ich von tag zu tag teurer fürs amt und liege der gesellschaft nun wirklich auf der tasche. dafür schäme ich mich in grund und boden.

mehr als achteinhalb jahre hartz4 sind längst mehr, als ein mensch ertragen kann. egal was ich gearbeitet habe seither: ich war immer angewiesen auf ergänzendes ALG2. weil es nur noch billiglohn gibt. für frauen erst recht. völlig wurscht, dass ich abitur und studiert hab, dass ich ne gute ausbildung hab, einen iq weit über 130, vielseitig begabt und kompetent bin. ich finde nichts passendes. meine arbeit ist nichts (mehr) wert. ich ebenso wenig.

neulich gab ich IT-nachhilfe für senioren. 5 öre die stunde. ein ehrenamt kann sich nur leisten, wer auch die ehre hat. 

ehre und sinn des lebens aber sind mir längst abhanden gekommen. ich existiere nur noch, um die gesetzlichen vorgaben und schikanen des jobcenters zu erfüllen. das ist kein leben.

trösten kann mich nicht einmal mehr der gedanke, dass all die gnadenlosen amtsbratzen ebenso wie die politikerInnen aller couleur, die die hartz4-folter für erwerbslose menschen beschlossen und in gesetze gegossen haben, es spätestens auf dem sterbett büßen werden.

der unermeßliche schmerz und terror, den sie millionenfach aussenden, wird auf sie zurückfallen. stück für stück. das ist ein kosmisches gesetz. dann können die frau Nicolas dieser republik sich röchelnd und wimmernd, aber mit rigidem buchhalterstolz auf die sadistisch dumpfe brust klopfen: "ICH habe unzählige unschuldige erwerbslose gefoltert, getriezt und gequält, mit „sanktionen“ und anderen schikanen in den finanziellen, emotionalen und gesundheitlichen ruin getrieben haben. ICH bin ein toller mensch und habe immer getan, was im gesetz steht. ich war eine gute deutsche!“

wie lange noch?

Montag, 26. August 2013

verdauung

- rosenworte zum montag -
"I don't know a better preparation for life than a love of poetry and a good digestion." *
dieses schöne zitat wird der amerikanischen schriftstellerin Zona Gale zugeschrieben. sie wäre heute 139 jahre alt geworden.

rosa gallica officinalis (apothekerrose**)
Zona Gale war literaturwissenschaftlerin, lyrikerin, dramatikerin, schriftstellerin und gehörte dem vorstand der University of Wisconsin an. 1921 erhielt sie als erste frau den pulitzer-preis in der kategorie theater (drama).

*
"Ich kenne keine bessere Vorbereitung auf das Leben als einen Hang zur Poesie und eine gute Verdauung." (übers.: mo jour)

**
die rosa officinalis, auch rosa gallica, apothekerrose oder essig-rose genannt, ist ein vielseitig einsetzbares heilmittel: unter anderem hilft sie bei magenkrämpfen, gegen durchfall und reguliert die verdauung.

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Montag, 19. August 2013

zäune?

- rosenworte zum montag - 

wie oft stoße ich an meine grenzen! öfter noch stoßen andere an meine grenzen - und dann ist es meine aufgabe, diese klar zu setzen und - um not zu wenden - auch zu verteidigen.

Fast ohne "Dornen": Clematis Rose (John Scarman, 2005)

rosen haben ihre grenzen meist schon eingebaut: sie schützen sich mit ihren eigenen stacheln.

daran, finde ich, ist sich gut vorbild nehmen. schließlich will ich mich frei entfalten und blühendes leben sein. so notwendig ein zaun bisweilen auch sein mag - er darf mich weder einengen noch prominenter selbstzweck meines lebens werden.

darum will ich nur so viel energie auf den zaun verwenden, wie gerade eben nötig ist, um nicht von irgendwelchen alten eseln gefressen zu werden. ansonsten pflege ich meine stacheln.

so sagt es schon ein altes sprichwort:


Die Blumen machen den Garten, nicht der Zaun.

lasst euch nicht unterkriegen!

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Donnerstag, 15. August 2013

vermieter – the next generation

für die, die's noch nicht wissen: ich wohne zur miete. im dachgeschoss.

die katholischen vermieter leben in der bel-etage, ein stockwerk tiefer. täglich mehrmals muss ich an deren wohnungstüre vorbei.

die vermieter haben erwachsene kinder: eine tochter und einen sohn, die mit ihren jeweiligen partnerInnen ziemlich weit weg leben.

die vermieterkinder haben sich fortgepflanzt. es gibt nun zwei vermieterenkelsöhne, ungefähr ein und zwei jahre alt. seitdem das so ist, hängen konterfeis der frisch geschlüpften erdlinge an der vermieterlichen wohnungstüre. außen!

"den Nachwuchs vor die Tür hängen"


die armen rot schrumpeligen würmer wurden durch den heimischen drucker mehr schlecht als recht im DIN-format A4 auf billigem papier in die welt gezwängt, schräg und schäps mit tesafilm an die tür geklebt.

seit zwei jahren also frage ich mich mehrmals täglich: warum machen die das? was ist das für ein brauch? warum hängen die katholiken (wahlweise vermieter / winzerdörfler / alemannen / baden / spießerdeutschen …) ihre säuglinge nach draußen vor die wohnungstüre ins ungeheizte treppenhaus – anstatt sie innendrin gut warmzuhalten, vor bösen geistern zu verstecken und zu beschützen?!

beide säuglinge tragen die namen von römischen kaisern – wie sich das gehört für die enkel von herrschaftlichen großgrundbesitzern mit einem stammbaum über mehrere jahrhunderte bis zurück zu den historisch belegten ersten siedlern des dorfes. selle kamen aus der schweiz, okkupierten das tal und teilten das land unter sich auf. an der sprache merkt man das bis heute, die ist in diesem ort ganz anders als im nachbardorf. sie haben nie richtig deutsch gelernt.

manchmal kommen die kinder mit den enkelkindern zu besuch und führen dem patriarchen und seiner eheputzkochhaushaltsfrau vor, wie gut sie ihre bälger schon dressiert haben.

ich sitz dann hier oben auf meiner balkon-empore und griemel mir eins. leider verstehe ich jedes wort, das unten im „wintergarten“ genannten glashaus und im rentnergarten gesprochen wird.

aber es ist doch interessant mitanzuhören, wie der alte herr dann in senil-frühkindliches duziduzi brabbel-speak verfällt und versucht, seinen künftigen steuerzahlernachkommen seine ihm lebenswichtigsten wörter beizubringen. vor allem die auswahl der vokabeln, die er unbedingt weitergeben muss, ist bemerkenswert. da lerne ich wirklich neues über meinen vermieter, der sonst eher türenschlagend, arrogant und in beleidigendem kommandoton daherkommt.

sehr lange wurde mit dem einjährigen geübt an dem schönen wort: flugzeugträger. genau. flug-zeug-trä-ger. oder habt ihr etwa ein anderes wort als erstes gelernt? das muss ein mann doch können! flug-zeug-trä-ger! seltsamerweise schien das kind weder sonderlich interessiert noch begeistert und gab keinerlei echo. nach gefühlten 108 wiederholungen gab der großvater auf.

es folgte die musikalische früherziehung. meine geneigten leserInnen wissen, dass mein herr vermieter sich für einen begnadeten musiker hält und täglich seine quetschekommode malträtiert. seit mehr als fünfzig jahren. er kann es immer noch nicht und ist in seiner rosamunde-gesinnung niemals über einen dumpfen viervierteltakt hinausgekommen.

also auch die enkel! instruiert wird auf dem piano im wohnzimmer. auf dem spielt sonst nie jemand. nur wenn die kinder zu besuch sind. dann intoniert der opa ein stolperndes „alle meine entchen“, und die kinder werden aufgefordert, das nachzuspielen. das können sie natürlich nicht. sie haben ja noch nie zuvor ein klavier gesehen und müssen erst einmal ausprobieren, was überhaupt passiert, wenn sie mit ihren patschehändchen darauf herumtatschen. dürfen sie von mir aus gerne. ich hätte auch gerne ein klavier gehabt, früher. aber es war mir nicht erlaubt, etwas zu besitzen, das lärm hätte verursachen können.

anders des vermieters enkelsöhne: sie dürfen ungefähr ziemlich genau dreimal auf die tasten hauen. jeder einzelne schräge ton wird begeistert kommentiert mit großem jubel und stolzem überschwang „ja wunderbar! ja du bist ja ein ganz großer! ein richtiger mozart! ja wo isser denn mein kleiner amadeus ….“

so verlängert das kleine vermieter-ego seinen narzissmus in die übernächste generation.

wenn aber nach dreimal tastenpatsch das nicht nur musikalisch in den kleinstkinderschuhen steckende nachwuchsmusiktalent immer noch keine symphonie (oder zumindest eine sonate) zustande gebracht hat, wird die musikalische früherziehung flugs beendet und der klimperkasten geschlossen.

sie dürfen nicht üben, die armen kleinen. sie müssen schon alles können. sonst ist der großvater nicht zufrieden.

den zweijährigen fand ich übrigens gar nicht so schlecht. er spielte sehr behutsam, nicht so haudrauf. es klang ein bißchen wie satie. sehr entfernt, versteht sich. aber das gefiel dem alten nicht.

für feine, leise töne hat der vermieter keinen sinn. nur für schenkelklopfende polka. und für flugzeugträger.


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Montag, 12. August 2013

wünsch dir was

- rosenworte zum montag - 

heut nacht kommt die erde dem meteorstrom der perseiden besonders nahe, bis zu hundert sternschnuppen pro stunde können wir dann am sommerhimmel sehen, direkt unterhalb der kassiopeia.

wenn denn das wünschen wieder hilft, bin ich gerne ganz vorne mit dabei!

Sweet Pretty (Meilland 2005)

auch in japan kennt man den brauch, sich beim entdecken eines "fließenden sterns" (流れ星 nagare-boshi) etwas zu wünschen. nicht nur bei schnuppen, sondern bei allem sternförmigen ist wunscherfüllung in aussicht - denn das wort hoshi 星 für stern ist homophon* (gleichklingend) mit dem verb hoshii 欲しい  für 'haben wollen'. deswegen gehört beides untrennbar zusammen: einen stern sehen und sich etwas wünschen - das ist in japan eins!

wenn die grillen im rosenduft der sommernacht ungeduldig zirpen, 
wenn sternschnuppen wunschlos glücklich dein haar zerstöbern -
dann ist das ein gruß von mir.


ps.
wem es die nacht heute bewölkt, die sei beruhigt: die perseiden sind noch bis etwa 27. august in planetennähe - nur heut nacht ab etwa 22 uhr bis gegen halb fünf in der früh kommt der höhepunkt des sternenregens auf uns zu. hier z. b. wird alles sehr anschaulich erklärt.


pps.*
jaja. ich weiß, dass laut neuer deutscher rechtsverschreibung die schreibweise homofon empfohlen wird. aber das geht doch nicht. nein das geht wirklich nicht.

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Montag, 5. August 2013

möbelstück

- rosenworte zum montag - 

es soll ja menschen geben, die ihren geburtstag am todestag einer namensvetterin feiern.

sicher eher zufällig, denn genau wie jeden tag auch noch irgend jemand anders geburtstag hat, stirbt auch täglich irgend jemand anders - das kann eine nicht immer wissen.

Colette (Meilland 1994)

dann wiederum gibt es freundinnen, die genau das bemerken und mit einem freundlichen zitat kommentieren:
Mon Dieu! Que la vieillesse est donc un meuble inconfortable! *
(Colette - in: Correspondance, le 5 décembre 1949)
alles gute!


*
Was ist doch das Alter für ein unbequemes Möbelstück!

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Sonntag, 4. August 2013

folgeeinladung

seitdem ich im herbst 2012 meine halbe stelle als redaktions-mitarbeiterin im medienkonzern verlor, bin ich wieder erwerbslos.

da die stelle dort so gering honoriert war, dass ich ohnehin auch während meiner zeit als angestellte ergänzendes alg2 in anspruch nehmen musste, bin ich seither wieder „voll auf hartz4“.

der große luxus von unten - phalaenopsis orchidee

nein, das ist nicht lustig. ich kann meine erwerbslosigkeit nicht als „fröhlichen zwangsurlaub“ betrachten, wie eine im umgang mit den deutschen jobcentern eher unbedarfte bekannte mir neulich aufmunternd vorschlug. hartz4 ist kein spaß in der sozialen hängematte, sondern folter.

ich will hier jetzt gar nicht darüber schreiben, dass der regelsatz von 382 euro – der angeblich das existenzminimum sichern soll – vorne und hinten selbst zu einem schlichtesten überleben nicht reicht, dass es krank macht und vereinsamt. ich übe mich in der kunst, stilvoll zu verarmen. darin bin ich sogar recht erfolgreich. es darf nur nichts kaputt gehen. und ich darf das haus nicht allzu oft verlassen.

ich will hier jetzt auch gar nicht darüber schreiben, dass das hartz4-verrechnungs-amt sich ständig zu seinen gunsten verrechnet und meine „leistungen“ auf diese weise noch weit unter das angebliche „existenzminimum“ drückt. auch nicht darüber, dass unsereins das dann erst einmal herausfinden, aufwendig recherchieren und sich beraten lassen muss, um widerspruch einlegen zu können und ggfs. anwälte und sozialgerichtsbarkeit in gang zu setzen, um dann erst monate oder gar jahre später unter aufwendung erheblicher zusatzkosten (und aller zur verfügung stehenden nervenenden) das klitzebißchen zu kriegen, was einer gesetzlich zusteht – und was für das alltägliche überleben JETZT dringend benötigt wird.

nein.

ich dachte, ich schreibe heute einmal über 'post vom amt':

alle arbeitslosenämter der republik benutzen seit jahren das immergleiche ekelhafte dunkelgraue recycling-papier in allerschlechtester qualität. es sieht nicht nur schäbig aus, es stinkt auch ganz unangenehm (und das mir, die ich den duft von papier doch sonst so sehr liebe!) das muss nicht einmal das billigste papier sein. ich vermute, dass da ein parteigenosse oder kuseng des arbeitslosenministers mit einem never-ending großauftrag den reibach seines lebens macht (dass das arbeitslosenamt mit öffentlichen geldern sehr großzügig ist, wenn es um die privaten vorteile der eigenen mitarbeiter geht, wissen wir ja nicht erst seit 2010).

schon wenn ich so einen dreckig grauen recycling-umschlag ohne briefmarke und ohne absenderaufdruck im briefkasten sehe, krampft sich mein magen zusammen, fängt mein herz in panik an zu rasen und wird mir spei-übel. können die sich denn nicht einmal anständiges papier leisten? es gibt auch schönes recyclingpapier, mit einem höheren weißegrad, das weder teurer noch umweltschädlicher ist.

wir sehen: das amt behandelt seine „kundInnen“ schlecht. also unsereine. schon das benutzte briefpapier schreit aus allen deutschgrauen recycling-fasern: „du böse erwerbslose sozialschmarotzerin bist genauso schmutzig wie unser papier und absolut wertlos.“

das wird durch den blauen engel auf dem briefumschlag nicht besser. auch nicht dadurch, dass mein finanzamt ein ähnlich deutschgraues recycling-papier benutzt.

der unterschied liegt im inhalt und im ton. mit dem finanzamt korrespondiere ich als steuern zahlende bürgerin „auf augenhöhe“.

das jobcenter hingegen bezeichnet mich zwar offiziell als „kundin“ - behandelt mich aber a priori wie eine rechtsbrüchige verbrecherin, die es zu maßregeln und aus der angeblich so kommoden faulenzerInnen-hängematte zu mobben gilt.

geld spart das jobcenter vor allem dadurch, dass es weniger auszahlt als gesetzlich vorgeschrieben ist. in der freiburger nachbarbehörde wurden schon vor jahren die mitarbeiterInnen angewiesen, möglichst „sparsame“ bescheide zu verschicken. die folge: mehr als 80 % der bescheide waren fehlerhaft. sprich: es wurden rechtswidrig geringe leistungen bewilligt.

das amt hoffte darauf, dass die mehrheit der erwerbslosen das vor lauter hängematten-idylle verpennt und sich mit der hälfte des ihnen zustehenden zufrieden gibt. das hat sich durchaus gelohnt. leider schafft es immer nur eine minderheit, gegen falsche bescheide widerspruch einzulegen und den eigenen anspruch tatsächlich durchzusetzen.

um zusätzlich geld einzusparen, scheint es zum handwerkszeug der jobcenter zu gehören, „kundInnen“ für böse verbrechen zu bestrafen, die sie gar nicht begangen haben. es werden sanktionen verhängt ohne rücksicht auf das geltende grundgesetz – das bedeutet, dass die leistungen für die betroffenen noch weiter unter das existenzminimum gesenkt werden. auch dann, wenn die kundIn sich gar nichts hat zuschulden kommen lassen.

von einer rechtskundigen augenzeugen weiß ich, dass ein vertreter des hiesigen jobcenters sich mit großem stolz auf die amts-brust klopft: „WIR sind das jobcenter, das die meisten sanktionen verhängt!!!“ eichmann wäre stolz auf ihn.

von diesem brutalen, menschenverachtenden ehrgeiz bin ich leider gerade betroffen:

der schreckliche graue brief von meinem jobcenter kam am freitag und hat mich so dermaßen aufgeregt (und tut es noch), dass ich bis heute gebraucht habe, um mich einigermaßen zu beruhigen und darüber schreiben zu können.

geschrieben hat ihn „Frau Nicola M.***“. die kenne ich noch nicht. wir haben uns noch nicht einmal guten tag gesagt. offensichtlich ist sie mir nun als „arbeitsvermittlerin“ zugeordnet. aber ich weiß schon jetzt, dass sie genau das – nämlich mir eine arbeitsstelle vermitteln – garantiert NICHT tun wird.

statt dessen schreibt sie, dass sie mein ALG II gleich mal für die nächsten drei monate um 10 prozent kürzt, weil ich letzte woche nicht bei ihr im termin war. von dem termin wusste ich nichts!

angeblich habe sie mir eine „einladung“ (jobcenterdeutsch für „zwangsvorladung mit androhung von geldstrafe bei nichterscheinen“) geschickt. seltsam, dass die nicht bei mir ankam. ich bin hier mit den postzustellerInnen persönlich bekannt, seit jahren. es ist noch nie post nicht angekommen.

nun habe ich also eine „folgeeinladung“ erhalten. das ist jobcenterdeutsch für „zweite zwangsvorladung mit androhung von weiteren und noch größeren geldstrafen bei nichterscheinen in folge“. das halte ich nicht für kundenfreundlich, sondern für erpressung.

zumal ich als erwerbslose gleich einmal vorab und pauschal unter den generalverdacht der leistungserschleichung gestellt werde. welch eine unverschämte unterstellung. ich bin weder freiwillig noch gerne ohne sinnvolle arbeitsstelle. ich hasse es, meinen lebensunterhalt nicht selbst verdienen zu können.

vermutlich wollte frau M. mich gar nicht erst kennenlernen, sondern lieber gleich geld sparen. es ist anzunehmen, dass sie das schreiben an ihrem pc zwar bearbeitet und gespeichert – dann aber weder ausgedruckt noch an mich abgeschickt hat.

da sie nun ihr schlechtes gewissen zu kompensieren hat, ist sie in diesem zweiten schreiben besonders pampig und extra schikanös. es ist zu vermuten, dass sich das bei der „anhörung“ nächste woche fortsetzen wird.

es ist aber aufgabe der arbeitsvermittlerin, mich als kundIn auf augenhöhe zu informieren und zu beraten. ich habe ein recht auf die mir gesetzlich zustehenden leistungen. das sind keine almosen. mit dem antrag auf das arbeitslosengeld habe ich nicht gleichzeitig auch meine menschenwürde im arbeitslosenamt abgegeben. mit bösartigen unterstellungen und schikanen kommt sie bei mir nicht weit.

darauf werde ich „Frau M.“ im 'folgetermin' ausdrücklich hinweisen. höflich, aber bestimmt. so, wie ich es auf der journalistenschule für den umgang mit schwierigen interviewpartnerInnen gelernt habe: Fortiter in re, suaviter in modo

zu diesem termin gehe ich natürlich nicht alleine. außerdem bin ich informiert, dass sie mir für die rechtswirksamkeit ihrer sanktion nachweisen muss, dass ich ihre erste einladung tatsächlich erhalten habe.

fortsetzung folgt ….


*** name ist der redaktion bekannt
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