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Donnerstag, 15. August 2013

vermieter – the next generation

für die, die's noch nicht wissen: ich wohne zur miete. im dachgeschoss.

die katholischen vermieter leben in der bel-etage, ein stockwerk tiefer. täglich mehrmals muss ich an deren wohnungstüre vorbei.

die vermieter haben erwachsene kinder: eine tochter und einen sohn, die mit ihren jeweiligen partnerInnen ziemlich weit weg leben.

die vermieterkinder haben sich fortgepflanzt. es gibt nun zwei vermieterenkelsöhne, ungefähr ein und zwei jahre alt. seitdem das so ist, hängen konterfeis der frisch geschlüpften erdlinge an der vermieterlichen wohnungstüre. außen!

"den Nachwuchs vor die Tür hängen"


die armen rot schrumpeligen würmer wurden durch den heimischen drucker mehr schlecht als recht im DIN-format A4 auf billigem papier in die welt gezwängt, schräg und schäps mit tesafilm an die tür geklebt.

seit zwei jahren also frage ich mich mehrmals täglich: warum machen die das? was ist das für ein brauch? warum hängen die katholiken (wahlweise vermieter / winzerdörfler / alemannen / baden / spießerdeutschen …) ihre säuglinge nach draußen vor die wohnungstüre ins ungeheizte treppenhaus – anstatt sie innendrin gut warmzuhalten, vor bösen geistern zu verstecken und zu beschützen?!

beide säuglinge tragen die namen von römischen kaisern – wie sich das gehört für die enkel von herrschaftlichen großgrundbesitzern mit einem stammbaum über mehrere jahrhunderte bis zurück zu den historisch belegten ersten siedlern des dorfes. selle kamen aus der schweiz, okkupierten das tal und teilten das land unter sich auf. an der sprache merkt man das bis heute, die ist in diesem ort ganz anders als im nachbardorf. sie haben nie richtig deutsch gelernt.

manchmal kommen die kinder mit den enkelkindern zu besuch und führen dem patriarchen und seiner eheputzkochhaushaltsfrau vor, wie gut sie ihre bälger schon dressiert haben.

ich sitz dann hier oben auf meiner balkon-empore und griemel mir eins. leider verstehe ich jedes wort, das unten im „wintergarten“ genannten glashaus und im rentnergarten gesprochen wird.

aber es ist doch interessant mitanzuhören, wie der alte herr dann in senil-frühkindliches duziduzi brabbel-speak verfällt und versucht, seinen künftigen steuerzahlernachkommen seine ihm lebenswichtigsten wörter beizubringen. vor allem die auswahl der vokabeln, die er unbedingt weitergeben muss, ist bemerkenswert. da lerne ich wirklich neues über meinen vermieter, der sonst eher türenschlagend, arrogant und in beleidigendem kommandoton daherkommt.

sehr lange wurde mit dem einjährigen geübt an dem schönen wort: flugzeugträger. genau. flug-zeug-trä-ger. oder habt ihr etwa ein anderes wort als erstes gelernt? das muss ein mann doch können! flug-zeug-trä-ger! seltsamerweise schien das kind weder sonderlich interessiert noch begeistert und gab keinerlei echo. nach gefühlten 108 wiederholungen gab der großvater auf.

es folgte die musikalische früherziehung. meine geneigten leserInnen wissen, dass mein herr vermieter sich für einen begnadeten musiker hält und täglich seine quetschekommode malträtiert. seit mehr als fünfzig jahren. er kann es immer noch nicht und ist in seiner rosamunde-gesinnung niemals über einen dumpfen viervierteltakt hinausgekommen.

also auch die enkel! instruiert wird auf dem piano im wohnzimmer. auf dem spielt sonst nie jemand. nur wenn die kinder zu besuch sind. dann intoniert der opa ein stolperndes „alle meine entchen“, und die kinder werden aufgefordert, das nachzuspielen. das können sie natürlich nicht. sie haben ja noch nie zuvor ein klavier gesehen und müssen erst einmal ausprobieren, was überhaupt passiert, wenn sie mit ihren patschehändchen darauf herumtatschen. dürfen sie von mir aus gerne. ich hätte auch gerne ein klavier gehabt, früher. aber es war mir nicht erlaubt, etwas zu besitzen, das lärm hätte verursachen können.

anders des vermieters enkelsöhne: sie dürfen ungefähr ziemlich genau dreimal auf die tasten hauen. jeder einzelne schräge ton wird begeistert kommentiert mit großem jubel und stolzem überschwang „ja wunderbar! ja du bist ja ein ganz großer! ein richtiger mozart! ja wo isser denn mein kleiner amadeus ….“

so verlängert das kleine vermieter-ego seinen narzissmus in die übernächste generation.

wenn aber nach dreimal tastenpatsch das nicht nur musikalisch in den kleinstkinderschuhen steckende nachwuchsmusiktalent immer noch keine symphonie (oder zumindest eine sonate) zustande gebracht hat, wird die musikalische früherziehung flugs beendet und der klimperkasten geschlossen.

sie dürfen nicht üben, die armen kleinen. sie müssen schon alles können. sonst ist der großvater nicht zufrieden.

den zweijährigen fand ich übrigens gar nicht so schlecht. er spielte sehr behutsam, nicht so haudrauf. es klang ein bißchen wie satie. sehr entfernt, versteht sich. aber das gefiel dem alten nicht.

für feine, leise töne hat der vermieter keinen sinn. nur für schenkelklopfende polka. und für flugzeugträger.


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