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Donnerstag, 2. Juni 2011

schön sein. schön bleiben.

bevor heute abend deutschlands näxt top modell (gntm 2011) in die drittletzte runde geht, möchte ich schnell noch ein paar gedanken äußern zu fraulichen äußerlichkeiten.


es ist ja nicht neu, dass viele frauen meinen, sie müssten ihr äußeres verändern und sich körperlich, geistig und seelisch den jeweils aktuell als schön angesehenen normen anpassen – um überhaupt gesehen zu werden; schlimmer noch: um sich überhaupt sehenswert und wahrgenommen zu fühlen.

ich schließe mich da leider nicht aus und befinde mich in bester gesellschaft:

das war schon zu sapphos zeiten so, in ihrem mädcheninternat auf der wunderschönen insel lesvos, vor zweieinhalb jahrtausenden: wimperntusche war damals aus gebranntem kork.

auch kleopatra, die herrin der vollkommenheit, benutzte dekorative kosmetik aus edelsteinpulver und badete in ziegen- oder eselsmilch. lebte sie heutzutage, dann sicher nicht ohne personal trainer.

im mittelalter schmierten sich die frauen hochgiftiges bleiweiß ins gesicht, denn nur blasse haut war vornehm. das kostete nicht nur viel geld, sondern auch die gesundheit.

schon immer waren auch mit dem aussehen sich befassende sprichwörter widersprüchlich. einerseits „wahre schönheit kommt von innen“ - andererseits „die inneren werte einer frau sieht man(n) nicht auf den ersten blick.“

denke ich an die neuzeitliche perversion innerer qualitäten in form von silikonbusen, möchte ich den buchstaben „h“ in „wahre“ am liebsten weglassen.

wenn ich den silikongriff meines bügeleisens betrachte oder die neumodische kuchenbackform – wie gammelig die schon nach kurzer zeit aussehen …. so was in meiner brust oder sonstewo im körper?! nee. näh!

in meiner bibliothek steht ein buch aus dem präsilikonischen zeitalter. „schön sein – schön bleiben“ heißt es, von Lilo Aureden, erschienen 1955 im bertelsmann verlag. es ist älter als ich, irgendwann als studentin habe ich es der mutter abgeschwatzt.

wenn ich mich mal so richtig amüsieren und gleichzeitig gruseln will, dann nehme ich dieses buch zur hand. es ist schon etwas vergilbt, die schrift wirkt altmodisch. dafür ist es voller charmanter zeichnungen sowie wunderbarer schwarzweiß- und farbfotos.

das beste: mein buch ist gleichzeitig übersprudelnder quell allgemeingültiger, zeitloser schönheitstipps als auch immerwährender heiterkeit: mein wirtschaftswunderkosmetikknigge.

egal ob haare gesicht figur geschmack pediküre minderwertigkeitskomplexe falten männer oder haferflockensuppe: frau aureden kannte sich mit allem aus. manches kommt einem heute seltsam abstrus vor, anderes wiederum ist sehr „vernünftig“.

viele der tipps finden sich – leicht abgewandelt - auch heute noch in den ..igitte-zeitschriften dieser welt. sie werden wahrscheinlich nicht erst seit 1955 alljährlich wieder aufgewärmt – und fraglos auch von den heutigen top models noch beherzigt.

„Locker sei der Gang … ein federnder Katzenschritt, nicht betont und nicht nachlässig, aber gelassen! (50)“ den catwalk üben sie heute noch – wenn es sein muss wie anno dunnemal mit einem dicken buch auf dem kopf.

nur die absatzhöhe war damals eine andere: der berufstätigen frau wurde ein grundbestand von vier(!) paar schuhen empfohlen (385): ein paar schwarze pumps (4cm hoch), ein paar braune trotteurs (ebenfalls 4cm hoch), ein paar „gute“ für einladung und gesellschaft (> 4 cm) und ein paar leichte flache weiße sommerschuhe.

nix da mit 15cm high heels! die gab es bis vor kurzem sowieso nur im sexshop. frau klum, die eiserne laufstegschönheit, hat sie uns angezwungen. kaum zu glauben, dass dieselbe frau auch korkfussbettpantoletten designed (hat).

meine schönseinbibel sagt: „Der Schuh ist für den Fuß da, nicht umgekehrt (386).“ genau. sehr „vernünftig“.

sehr amüsiert hingegen hat mich der busenwickel. er erinnert mich daran, wie damals in japan meine geisha-mamasan mir die 75C-brust flachgebunden und die schlanke taille mit einem handtuch ausgestopft hat, damit der kimono auch richtig saß.

die idealsilhouette für eine japanerin ist nicht wie bei uns die einer cocacola-flasche, sondern ähnelt eher einem ess-stäbchen.

mein journalistischer selbstversuch mit der angeblich von den pariserinnen bevorzugten brustbandage (283) ist bislang an der fehlenden anwesenheit von geeigneten hilfspersonen gescheitert:

immerhin muss die behandlung mit in essigwasser getränkten stoff- und elastikbinden drei mal überkreuz gewickelt, mit leukoplast befestigt und „sechs wochen hintereinander zweimal wöchentlich“ durchgeführt werden, später wöchentlich einmal und am ende alle vier wochen.

nach einem halben jahr wird eine dann für ihre ausdauer belohnt, angeblich. und zwar mit einem „kunstvoll nach oben gebetteten busen“. na dann gute nacht, mein herz!

wenn ich all diese tipps auf den über 450 kleinstbedruckten seiten nur schon früher beherzigt hätte, ach! aber jetzt ist es zu spät, mein geschmack is(s)t verirrt, die figur ruiniert, eine freie radikale „läuft, Ohne Haube, ohne Kragen, Schlotterbusig durch das Land (H. Heine)“. wie sonst?!

dennoch geht mir auredens gnadenloses geschmacksurteil nicht aus dem kopf: „Ältere Damen können sich nur die Kombination Schwarzweiß oder umgekehrt, auch Taubengrau mit Schwarz und Taubengrau mit Weiß gepunktet leisten (367).“

ich tu alles, meine liebe, aber niemals nicht weiß gepunktet!

frau aureden! frau klum! und alle anderen selbsternannten oder ferngesteuerten schönheitspäpste und -päpstinnen dieser welt, wisst ihr was?!

so lange ich schön bin, ist mir mein aussehen egal!


Lilo Aureden, Schön sein - schön bleiben
C. Bertelsmann Verlag Gütersloh 1955, 480 Seiten


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