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Sonntag, 1. Mai 2011

rauchzeichen

heute klopfe ich mir mal selbst auf die schulter. ihr lest richtig. da sonst niemand da ist, muss ich auch das noch selber machen! besondere maßnahme also am diesjährigen tag der arbeit: hier klopft die chefin noch selbst.

im wild-wüsten süd-westen: dreyländereck

mein guter grund: heute auf den tag genau habe ich fünf jahre lang genixraucht. da bin ich mächtig stolz drauf. das war nämlich nicht leicht für mich.

ich habe zwar nur sechs bis acht zigaretten am tag geraucht – aber die waren sehr ritualisiert und haben sehr „dazu“ gehört. zum pause machen zum beispiel. oder um unangenehme gefühle „runterzuziehen“, wenn ich aufgeregt war. seltsamerweise auch zum „luft holen“ vor schwierigen telefonaten. überhaupt – die zigarette „danach“: nicht nur nach einem orgasmus, auch sonst nach getaner arbeit und anderem vollbrachten hexenwerk. zäsuren im alltag: „so. fertig. jetzt erst einmal fünf minuten hinsetzen und eine zigarette, bevor es weitergeht.“

einer meiner lieblingszigaretten war immer die, wenn ich die koffer gepackt hatte vor einer reise. die letzten fünf minuten, bevor es richtig losging. noch mal hinsetzen mit dem letzten kaffee und einer zigarette, den geschmack von freiheit und abenteuer vorweg genommen: „hab ich an alles gedacht? ist alles dabei?“

in heiklen situationen zwickt es mich immer noch, selten zwar und weniger stark als früher – aber es zwickt. auch nach fünf jahren noch. inzwischen weiß ich dann, dass es etwas anderes ist, was mir fehlt. oder zu viel ist. je nachdem.

pause machen ohne zigarette kann ich zum beispiel immer noch nicht richtig. stillsitzen ohne alles – nix in der hand, nix im mund, kein rauch zum hinterherschauen: das ist meine königinnenübung. fast unmöglich!

in der anfangszeit war es wirklich schwierig. aber wie beim alkohol, habe ich da auch beim nikotin so etwas wie einen sportlichen ehrgeiz entwickelt: ich zeig's mir, dass ich das kann!

vor allem aber habe ich ausgehalten, was hochkam. nicht einfach, aber möglich. dazu ein möglichst geduldig-liebevoller umgang mit mir selbst. ich habe mich belohnt und aufgemuntert. ganz am anfang erst ein bißchen ab-, dann ziemlich zu- und irgendwann wieder etwas abgenommen.

das war meine größte sorge: werde ich vom nichtrauchen etwa noch dicker?! ja. wurde ich! nicht ganz egal, aber auch das: aushaltbar. ich tröstete mich kognitiv diszipliniert mit der tatsache, dass ich mir jedes mal etwas sehr gutes tue, wenn ich eine zigarette nicht rauche. all das olle nervengift kommt nicht mehr in mich rein!

geraucht hatte ich übrigens 27 jahre lang. mal mehr, mal weniger. über die jahre im schnitt wohl etwas mehr als eine halbe schachtel täglich. angefangen hatte ich mit süßen siebzehn. weil es mir sehr peinlich war, wenn ich bei den joints immer so husten musste. also habe ich das rauchen mit zigaretten geübt. die joints habe ich ziemlich bald wieder gelassen, weil es mir damit nicht gut ging. das nikotin blieb.

ich mag gar nicht ausrechnen, welches vermögen ich da im lauf meines lebens in rauch habe aufgehen lassen. sucht – egal in welcher ausprägung - ist niemals billig. ob und wie ich mir das rauchen heute noch leisten könnte, frage ich mich erst gar nicht mehr. irgendwie hat es immer gereicht – egal wie knapp ich bei kasse war. für die sucht war immer geld da. ich habe es halt passend gemacht.

zigaretten sind teuer geworden. gerade heute mal wieder tritt ein gesetz in kraft „zur erhöhung der tabaksteuer“. 4euro90cent für 19 zigaretten sind es seit heute, also knapp 26 cent das stück. oder – altmodisch gesagt: ungefähr 10 mark pro schachtel und 50 pfennig für eine einzelne zigarette.

als ich anfing in den achtziger jahren, lag der preis bei ca. 15 pfennig das stück. drei mark die schachtel. so ungefähr, glaube ich. trotz bzw. wegen der preissteigerungen machen tabakkonzerne höhere gewinne. 13% gewinnsteigerung allein im ersten quartal 2011. da bin ich wirklich froh, dass ich die nicht weiter alimentiere.

ich kann mich noch erinnern, wie scharf ich damals auf hamsterkäufe war, bei 'billigen' gelegenheiten …. im ausland, auf flughäfen, im intershop auf dem weg von berlin nach restdeutschland, später beim vietnamesen am s-bahnhof treptower park. und so weiter ....

zurück in mein rauchfreies heute:

eintausendachthundertsechsundzwanzig tage ohne nikotin. oder knapp fünfzehntausend zigis nicht geraucht. siebenhundertsiebzig schachteln nicht gekauft, theoretisch satte dreieinhalbtausend euro gespart.

ich wünschte, ich hätte das geld. das wäre eine wunderbare reise! nach feuerland, ins letzte kino! oder in den himalaya, wo das bruttosozialglück zum staatsziel erhoben wurde.

tja. ich habe das geld aber nicht. es hat nie gereicht, um das eingesparte anzusparen. wenn ich das jetzt so virtuell ausrechne, kommt womöglich noch das amt und zieht es mir wieder ab.

so wie vor drei tagen meine einkommensteuerrückerstattung. von den gut 800 euro, die mir das finanzamt im letzten jahr von meinen bezügen an der hochschule zuviel einbehalten und mir jetzt zurückgegeben hat, darf ich genau dreißig euro behalten. den rest rafft das arbeitslosenamt, weil die lohnsteuererstattung angeblich kein erwerbseinkommen ist (dann hätte ich immerhin die ersten 100 euro plus ca. 15% vom rest behalten dürfen, also ca. 200 euro). nein! das ist sogenanntes "sonstiges" einkommen. davon darf ich nix behalten. obwohl ich doch im letzten jahr dafür gearbeitet habe. sehr logische logik.

fast gleichzeitig mit dem schreiben vom amt lag ein brief meiner haftpflichtversicherung im briefkasten. sie haben dem neuen nachbarn, an dessen auto ich anfang märz zwei kleine kratzer à 3 und 5,5mm verursacht hatte, knapp 1500 euro bezahlt für die neulackierung des wagens und den mietwagen.

ich weiß, so etwas darf man nicht vergleichen. da kriegt man nur schlechte laune von. aber genau das war so einer von den seltenen augenblicken: wenn ich noch rauchen täte, hätte ich mir eine angezündet.

dann könnte ich mir heute nicht auf die schulter klopfen.


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