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Januar 2021

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Mittwoch, 18. Mai 2011

der rentnergarten

ein rentnergarten ist – wie das wort schon sagt – das gegenteil vom kindergarten. wo kinder wachsen, lebendig laut und bunt sind und sich täglich entwickeln, sind ältere leute eher ruhig in sich zurückgezogen, bewegen sich nicht mehr so viel und bevorzugen gedeckte farben.

Buchs im Rentnergarten

wenn kinder in ihren garten gehen, dann wollen sie herumtollen und barfuß über taufrisches gras hüpfen. sie wollen wilde bienen sehen und torkelnde schmetterlinge an kunterbunten blumen.

den älteren leuten ist so viel aufruhr zu viel. das macht arbeit. deswegen gibt es im rentnergarten keine wiesen mehr und keine bunten blumen. und erst recht kein unkraut!

pflegeleicht soll es sein, das seniorenbeet, das ganze jahr über adrett anzusehen ohne dramatische veränderungen.

seit ein paar jahren schon beobachte ich diese entwicklung. immer mehr gärten und vorgärten werden zu steinwüsten, sparsam bepflanzt mit immergrünem buchs, mit zypressen und falschen lebensbäumen. alles pflanzen, die diese bezeichnung kaum verdienen, weil sie sich nur unmerklich verändern.

thuja, buxbaum, efeu - gehören meiner meinung nach höchstens auf den friedhof (bloß bitte auf keinen fall auf mein grab, falls ich da mal lande). mögen vielleicht ältere menschen diese gewächse genau deswegen? wegen des grufti-looks? weil sie öfter auf den friedhof gehen als junge leute? weil mit den jahren immer mehr verwandte, freunde und bekannte schon für immer dorthin gezogen sind?

mag ja sein. dass manche menschen sich aber schon zu lebzeiten die friedhofsoptik in den eigenen vorgarten holen, wird mir immer fremd bleiben. brauchen sie es wirklich so nahe vor augen, dass ihre tage gezählt sind, dass der countdown schon läuft?

natürlich würden sie sich das niemals eingestehen. das neue gartendesign hat allein praktische gründe, sagt der rentnergärtner dann trotzig mit vorgeschobener unterlippe. außerdem heißt das im gartenfachmann-fachjargon natürlich nicht rentnergarten, sondern marketing-speak neumodisch "steingarten im toskana-stil".

schon klar. spitzkantiger grauer schotter, buxbaumkugeln und säulenzypressen waren schon immer die erkennungszeichen der toskanafraktion, wussten Sie das nicht?!

"Toskana" im Markgräflerland

ich hatte da zwar andere toskanatypische klischees im kopf - wie brunello di montalcino, den pittoresken ponte vecchio oder uralte knorrige olivenbäume - aber man lernt ja nie aus. auch eine freie radikale kann und will nicht alles wissen.

toscana feeling durch mediterranes design, das klingt weltmännisch, weitgereist und wohlhabend. das ist dolce far niente und macht was her! aber nicht nur den nachbarn beeindrucken und neidisch machen soll der rentnergarten, er soll auch pflegeleicht sein. so steht es in den hochglanzprospekten der rentnergartenprofis.

pflegeleicht ist eines meiner alltime-bestgehassten wörter. das kommt in einer reihe mit bügelfrei, praktisch und zeitsparend. gleichbedeutend mit stil- und lieblos, unachtsam und scheintot.

das allertoskanatypischste am rentnergarten ist wohl die tatsache, dass dort noch nicht einmal mehr unkraut wächst. schluss mit dem wildwuchs, sturm und drang ist kindergartenkram! ein dickes vlies liegt als grasverhüterli zwischen erdreich und schotterschicht. da wächst garantiert nichts durch. die faden stoffbahnen werden sorgsam mit steinen bedeckt, bis sie unsichtbar sind. soll keiner sagen können, dass das unordentlich aussieht!

irgendwie kann ich das ja noch nachvollziehen, diese unkrautphobie. unkrautjäten ist das bügeln des gartens. grauslige pflicht – wenn man denn meint, es tun zu müssen. körperlich anstrengend ist es obendrein, in gebückter haltung oder knieend im beet unwillkommenes grünzeug samt wurzeln aus dem boden zu rupfen. das ist beschwerlich, nicht erst im alter – aber dann erst recht. unkrautfreie beete sind wie bügelfreie hemden: es gibt sie nicht wirklich. wer daran glaubt, macht sich selbst etwas vor.

zurück zum rentnergarten: auch das büro für besondere maßnahmen hat neuerdings ein stückchen pseudo-toscana am haus. sehr sauber. sehr ordentlich. sehr steril. sehr leblos.

weil das für die hausleute praktisch ist. es ist so dermaßen praktisch, dass man jetzt auf dem balkon im ersten stock keine blumenkästen mehr bepflanzen darf, weil sonst die herabfallenden geranienblütenblätter auf den schönen grauen steinen landen und letztere unschön bunt verfärben könnten.

da bin ich jetzt aber echt froh. geranien konnte ich noch nie leiden, dieses spießige gewächs!


Nachtrag im Februar 2013:
Hier geht es zur Fortsetzung.
Schlimmer geht immer!

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