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Dienstag, 1. Februar 2011

farbrausch - vermietergeschichte no. 4

im haus gibt es veränderungen.


nein, der vermieter hat seine polkaquetschkommode nicht verschrottet.

im gegenteil. erst neulich hat er mit ein paar kumpels aus dem dorf eine neue combo gegründet. sie nennen sich ungefähr „die letzten raketen“. aus datenschutzrechtlichen gründen möchte ich hier den genauen namen nicht nennen.

da die jungs aber outstanding kreativ sind, wundert es mich nicht, dass ihre band entstand, nachdem im vergangenen jahr ein gleichnamiger film über eine seniorenbänd mit jan josef liefers in allen programmen der ard rauf und runter lief. ein sehr schöner, heiterer und aufmüpfiger film, übrigens. was ich von der hausbesitzermusik nicht sagen kann.

es wird also weiterhin regelmäßig geübt in der beletage. täglich ländliches rumtata, gerne stundenlang bodenständiger viervierteltakt. der vermieter ist anfang sechzig. andere rentner sind in dem alter alt-68er. ich bleibe friedlich. sie haben mir seit mehr als sechs jahren die miete nicht erhöht.

die veränderung im haus ist anderer art.

es begann schon im sommer. als ich von der reha zurück kam, war der lebensgefährte von vermieters töchterlein (wohnung parterre) ausgezogen. gut, dachte ich mir: wenn der alte (liebhaber) nicht geht, kann der neue nicht kommen. altes chinesisches sprichwort. schon im frühsommer hatte ich sie mit einem anderen mann hand in hand durch die reben schlendern sehen.

nicht dass ihr denkt, das liebesleben der winzerdorfbewohnerInnen würde mich sonderlich interessieren. aber selbst die fortschrittlichste freie radikale wird wunderlich, wenn sie so lange in einem so ehrenwerten haus lebt.

der alte war also weg. im dezember dann wurde mir von der vermieterin eröffnet, dass es einen umzug geben würde. also einen weiteren aus- und einen einzug. sie drückt sich gerne etwas umständlich aus. so hat nun töchterlein vor zwei wochen ihr hotel mama verlassen und ist zu dem neuen gezogen. weltbewegende 140 km weit fort in die fremde ferne.

töchterlein ist ungefähr mitte dreißig. mama hat abschiedsschmerz. ich bin da leidenschaftslos aber ein bißchen froh, weil meine wohnung nicht mehr täglich bebt, wenn töchterlein das haus bevölkert.

schluss mit treppenabsatzklappern mit großem getöse, interfamiliärer kommunikation über die stockwerke gebrüllt und türenknallen auf dem weg zur arbeit morgens um halb acht. das ist seit mehr als sechs jahren meine aufwachzeit. ich werde nun einen wecker kaufen müssen.

jetzt ist sie also weg. da die alte gegangen ist, kann der neue (mieter) kommen. der neue – so viel hat die hausfrau mir schon verraten – ist ein junger (also jünger als sie) auswärts berufstätiger mann, der vorraussichtlich (= vermieterspeak für hoffentlich) nur am wochenende im haus sein wird.

„außerdem sind die eltern aus dem dorf, die kennen wir schon seit jahrzehnten. da hoffen wir mal, dass das gut geht.“ aha. der arme kerl. voll unter elterlicher und vermieterlicher kontrolle. mir schwant, das scheint ihnen wichtig zu sein, nachdem sie meine eltern immer noch nicht kennen und auch ich mich nicht sonderlich gut kontrollieren lasse.

damit der neue auch tatsächlich kommen will, wird die wohnung im erdgeschoss vorher renoviert. das passiert derzeit. weil die vermieter ordentliche deutsche sind, wird auch nur mit ordentlicher farbe gepinselt: die supergiftige mit dem totenkopf auf dem etikett. weil die länger hält. oder bessere ergebnisse bringt. was weiß denn ich.

farbtöpfe und aller anderer „renovierkram“ stehen auf meiner ‚absolutely-no-like-liste‘. die dämpfe sind mir zu heftig. machen kopfschmerzen, übelkeit und schwindelfegühl. die vermieter hingegen scheinen nicht nur mit den ohren taub zu sein, sondern auch in der nase. gnadenlos und tagelang stehen sie glücklich grinsend im farbmief als wären sie sniffer auf tüte.

vielleicht brauchen sie den ätherischen chemokick, um das eigene gedudel besser ertragen zu können. damit nicht gleich wieder alles verfliegt, verzichten sie darauf, fenster und balkontür zu öffnen. statt dessen wird ausgiebig ins treppenhaus gelüftet.

weil dünste aus physikalischen gründen gerne mal noch oben verfliegen, landen sie alle bei mir unterm dach. meine wohnungstür ist nicht dicht – kurz: ich habe derzeit ein olfaktorisches gleichgewichtsproblem.

im vergleich zu dem, was mir sonst so schlaflose nächte macht, ist das eine geradezu harmlose ablenkung.


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