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Mittwoch, 20. Oktober 2010

50 jahre

ein halbes jahrhundert. unvorstellbar. noch älter als ich ist dieser alte toaster, der ein hochzeitsgeschenk für die eltern war.

wendetoaster: rowenta, 1960

es handelt sich um einen klappen- oder wendetoaster modell E5214 von rowenta, noch produziert im von robert weintraud 1884 gegründeten stammwerk in offenbach, bevor die firma anfang der 60er jahre von amerikanischen investoren übernommen wurde. der ist also noch richtig gute ‚deutsche wertarbeit‘ sozusagen.

trotzdem hat dieser toaster in der familie meiner kindheit regelmäßig für ärger gesorgt. die brotscheiben darin werden ‚halbautomatisch‘ gewendet, indem man die klappe weit nach unten öffnet. dann dreht sich das brot wie von selbst. aber es gibt weder timer noch abschaltautomatik, die toasts wollen immer beobachtet und im genau abgepassten augenblick gewendet sein.

die mutter war damit oft überfordert, weil sie gleichzeitig noch die eier mit speck zubereiten, kaffee kochen, frühstückstisch decken, den kohleofen einheizen, die lockenwickler aus den eigenen haaren nehmen, uns wecken und den vater aus dem bett locken musste.

immer wieder wurden ihr die toastscheiben kohlpechrabenschwarz. den brotkoks haben wir dann mit einem messer über dem spülstein abgeschrappt. wenn der geruch kippte von duftendem golden toast zum angebrannten brot, wussten wir, dass spätestens da auch mutters sonntagslaune gekippt war.

der alte 'turn-over' ist also weder praktisch noch pflegeleicht, deswegen wurde er irgendwann gegen ein anderes modell ausgetauscht: eines, das die fertig getoasteten scheiben auswirft, sobald sie die gewünschte bräunung haben.

trotzdem liebte ich den rowenta heiß und innig. vielleicht, weil er den eltern nicht gut genug war. da hatten wir etwas gemeinsam. vor allem aber deshalb, weil nicht nur genormte toastscheiben reinpassen, sondern auch mal ein halbes brötchen, auch kanten oder unegal abgeschnittene brotscheiben. weil er mich achtsamkeit lehrt und konzentration.

als ich mit achtzehn jahren in eine eigene wohnung zog, nahm ich den alten toaster mit und wieder in betrieb. er ist mir bis heute treu geblieben.

ich habe ihn aber auch nie verraten. einmal hat die mutter mir einen ihrer ‚praktischen‘ automatik-toaster aus dem ewigen quelle-katalog geschenkt. ich habe die annahme verweigert. die mutter verstand das nicht. die mutter verstand mich nicht.

in den dreißig jahren, die wir miteinander verbracht haben, mein toaster und ich, habe ich oft das chrom poliert, die elektrik ein paar mal repariert, abgebrochene bakelit-teile wieder angeklebt, ihm eine neue schnur spendiert.

das erstaunliche ist nicht, dass ich dieses oder andere geräte – wie die 20-jährige caffettiera zum beispiel - schon so lange in meinem haushalt habe. erschreckend ist vielmehr, dass ich schon so alt bin, dass die dinge so lange bei mir gewesen sein können.

was wusste ich denn mit achtzehn, werwiewo ich mit ende vierzig sein würde? dass dann alles anders wäre, als ich es mir als teenager erträumte – dass ausgerechnet dieser toaster aber unverändert dabei wäre?

zu meiner herkunftsfamilie habe ich ‚aus gründen‘ seit jahren keinen kontakt mehr. trotzdem habe ich natürlich gewisse daten im kopf. die eltern begehen heute goldene hochzeit. ohne den toaster.

wir wünschen - trotz allem - liebe, gesundheit und glück aus der ferne und feiern hier ein eigenes fest: herzlichen glückwunsch zum 50. geburtstag, mein toaster!


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