Achtung. Achtung. Achtung.
Wir sind umgezogen!

Januar 2021

Das Büro für besondere Maßnahmen ist ab sofort erreichbar auf mojour.de

Nach und nach werden alte Beiträge – ggf. aktualisiert und überarbeitet – dorthin umziehen. Bitte folgen ... :-)

Mittwoch, 10. Februar 2010

besondere maßnahme no VIII – haarsträubende haarausreißerei

wenn eine sich aufmacht, ein weblog zu schreiben, dann können die merkwürdigsten dinge passieren.


neulich vor ein paar wochen flatterte mir eine email auf die festplatte, von jener firma, deren geschichte vor fast achtzig jahren in kronberg im taunus begann - als apparatebauwerkstatt für elektrische haushaltsgeräte:

du schreibst in deinem Blog über die wichtigen Dinge im Leben einer Frau. Körperpflege gehört ja mit Sicherheit dazu. … Der nächste Sommer kommt gewiss und dann sind gepflegte Beine wieder ein Muss.... Deshalb haben wir für das "Büro für besondere Maßnahmen" ein besonderes Maßnahmen-Angebot: Hast du Lust den neuen Epilierer "Silk-épil Xpressive Wet&dry" aus dem Hause Braun zu testen? Wir möchten dich herzlich einladen, das Gerät auszuprobieren....

mein erster gedanke war: ist das ein witz?!

mein zweiter gedanke: die haben mich falsch verstanden. ich schreibe doch nicht über so‘n körperpflege- und kosmetikzeugs. wie kommen die dazu, mir vorzuschreiben, was zu den wirklich wichtigen dingen im leben einer frau gehört? für wen sind gepflegte beine ein MUSS? und wenn überhaupt, wieso dann nur im sommer? unterstellen die mir, dass ich im winter verlottere?!

mein dritter gedanke: die fahren eine geniale marketingstrategie, wenn sie nominierte weiberblogs als werbeträgerinnen rekrutieren – respekt!

meine gedanken no vier, fünf, sechs und sieben galten all meinen elektrogeräten von eben diesem hersteller, die mich zum teil schon seit jahrzehnten begleiten und längst teil meines alltags geworden sind: der verständnisvolle wecker, der auf zuruf verstummt; der haar- und tinnitusfreundliche flüster-fön; die zahnbürste, die so schön brummt und kribbelt und – mein olles epiliergerät!

mein achter gedanke: ein neues epiliergerät wäre schick. darf ich so korrupt sein?

dann habe ich aufgehört zu denken, auf den antwortebutton geklickt und nach den konditionen gefragt.

ihr habt richtig gelesen. epiliergerät. kreish! meterweise feministische literatur, die nicht nur im regal gesammelt sondern tatsächlich gelesen ist, jahrzehntelange lektüre von emma, deren redaktion in meiner schulmädchenzeit ja quasi um die ecke war von da wo ich wohnte, nächtelange diskussionen in der frauen-WG im berlin der achtziger jahre, in denen wir qualmten und soffen wie die kerle – es hat alles nichts genutzt:

ich verschwende einen nicht unerheblichen teil meiner kostbaren kognitiven, emotionalen, kreativen, zeitlichen und finanziellen ressourcen darauf, mein äußeres optisch den gesellschaftlichen gepflogenheiten und dem derzeit geltenden weiblichen schönheitsideal anzupassen. kurz: ich würde eher ohne unterhose aus dem haus gehen als ohne lippenstift.

einmal im monat kümmere ich mich auch um meine körperbehaarung und andere hornige auswüchse. einen guten rhythmus gibt mir der mond. da heißt es in den gängigen mondkalendern u.a., dass die tage, an denen der mond das sternzeichen steinbock durchwandert, besonders günstig seien für die intensive pflege der fuß- und fingernägel.

nimmt der mond dann gerade zu, wachsen sie schnell und fest wieder nach. angeblich. nimmt er ab, wachsen sie nicht so schnell nach, aber dafür gerade. angeblich. der abnehmende mond im steinbock eignet sich daher auch besonders für das entfernen von hornhaut und von körperhaaren, die frau auf dauer loswerden will. angeblich.

ob das stimmt, weiß ich nicht. aber es schadet nicht, wenn ich mich an diesen rhythmus halte und mein sonst so zerrissenes leben hier und da mit einem kleinen ritual etwas stabilisiere.

der abnehmende mond im steinbock, das ist heute, und deswegen steht in meinem filofax bei den tagesaufgaben ein mehr oder weniger kryptisches „haare weg“. ich weiß, was gemeint ist. das volle programm:

augenbrauen zupfen, die drei goldenen barthaare ausreißen, das eine haar auf der warze neben der rechten nasolabialfalte kurz schneiden, die achseln rasieren, bikinizone kritisch beäugen und die haare auf den schienbeinen entfernen.

und während ich das alles so mach‘, frage ich mich, wer denn eigentlich diese seltsamen haarigen regeln aufgestellt hat und wozu das alles gut sein soll. schönheitsideale sind sooo willkürlich!

hat schon mal eine von euch von irgendeiner kultur gehört, in der männer dazu angehalten werden, sich unter größten schmerzen und gefahren für die gesundheit ihrer körperbehaarung zu entledigen, einmal abgesehen von der unabdingbaren bartrasur?

mein bester schwuler freund würde sagen: mann mit bart ist sowieso OB doppelzehn. mit OB meint er nicht den baumwollstöpfel für die mens. männer unter sich sprechen von OB als OrgasmusBremse, auf einer skala von eins bis zehn. zehn wird getoppt von doppelzehn. OB doppelzehn geht also gar nicht. genau. mann mit bart geht gar nicht, das ist auch meine persönliche OB doppelzehn, da bin ich total tote hose. männerhaare gehören auf und nicht unter den kopf.

aber müssen männer sich die achselhaare rasieren? die badehosenzone epilieren? die brust enthaaren? nein. wozu auch?

wem nützt es, wenn ich die augenbrauen ‚in form‘ bringe und so lange daran herumzupfe, bis es aussieht, als ob ich ständig erstaunt sei und immer nur bewundernd-ehrfürchtig mit weit nach oben gezogenen brauen von ganz tief unten (zu den herren der schöpfung) aufschaue? widerspruchslos, versteht sich.

warum schminke ich mir die augen groß und ausdrucksvoll, bis sie dem harm- und hilflosen kindchenschema entsprechen, von dem manche männer sich so gerne anhimmeln lassen?

der damenbart ist ohnehin eine lachnummer: denn so eine hat auch haare auf den zähnen und kriegt sowieso keinen mann ab. also lieber bart ab. da ziehe ich mit den männern gleich.

warum mag ich meinen eigenen geruch nicht, rasiere mir die achselhaare und übertünche die reste von schweiß mit deo? okay – rasieren, das geht so gerade noch. aber epilieren? direkt an den lymphknoten und all den empfindlichen nervenbahnen? das halte ich nicht für gesund.

die bikinizone oder gar die scham enthaaren? obwohl da die haut so wunderbar empfindsam und empfänglich ist für wohl- und schandtaten? warum um alles in der welt soll ich mich da selbst verletzen? weil männer lieber nackte kindermösen vögeln? weil sie angst haben vor ‚echten‘ frauen? ich weiß es nicht. ich weiß nur, dass dieser 'haarfreie trend' sich in den letzten ein, zwei jahrzehnten sehr verstärkt hat.

auch weibliche schienbeine sollen haarmakellos glatt sein. warum?! ganz sicher nicht nur, damit sie aus dünnen nylonstrümpfen nicht so stachlig hervorstechen und - igitte! - böse laufmaschen verursachen. stellt euch mal vor, wir lebten in einer kultur, in der wir für viele und starke bein- und sonstewohaare bewundert würden! hach was wäre das schön, komplimente zu hören wie „du bist echt ne starke frau mit deinem schienbeinpelz“ oder „deine haarigen waden sind sooo sexy!“

in so einer kultur leben wir aber nicht. deswegen zupfe ich mir einmal im monat ein paar der derzeit nicht akzeptierten härchen aus. auf den schienbeinen. das gerät, das die liebe britta von braun mir zum ausprobieren geschickt hat, taugt dafür bestens. als neuzeitliches frauenfoltergerät an den anderen stellen taugt es leider auch. ich bedanke mich artig.


--------

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...